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Archiv-Artikel

LESERINNENBRIEFE

Ohne Kenntnis

■ betr.: „Abwehr gegen schlechte Presse“, „Im Namen der Waffenlobby“, taz vom 8. 5. 15

Ich sehe hier nicht das Problem der Pressefreiheit im Vordergrund, sondern eine derart enge Verbindung von Privatwirtschaft und Politik, die durch diese Affäre eindeutig bestätigt wird. Seit Jahren wird immer wieder darüber berichtet, wie Waffenkäufe durch Korruption eingefädelt und zum Abschluss gebracht werden. Und immer wieder stehen Regierungsvertreter im Fokus, die dabei mitspielen. Und genauso oft wird von den entsprechenden Ministerien dementiert.

Was eine entscheidende Rolle spielt, ist die Tatsache, dass gerade die jetzigen Regierungsparteien a) ein windelweiches Antikorruptionsgesetz verabschiedet haben und b) sich extrem stark gegen eine Veröffentlichung von Listen der Lobbyisten im Bundestag wehren. Und es wird deutlich, wie wenig die Minister, ob de Maizière oder von der Leyen, der demokratisch beauftragten Kontrollfunktion nachkommen, wenn sie immer wieder behaupten, keine Kenntnis von den Vorgängen gehabt zu haben, ob im Verteidigungsministerium oder im Kanzleramt. Aber eine Vorratsdatenspeicherung wird gefordert, ob sinnvoll oder nicht. ALBERT WAGNER, Bochum

Ausgezeichnet gemacht

■ betr.: „Kommt jetzt die bessere Welt?“, taz vom 8. 5. 15

Ohne Zweifel war die taz vom letzten Freitag mit dem Schwerpunkt 70 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs ausgezeichnet gemacht. Beim Erinnern der Zeitzeugen fand sich in den Dossiers die ganze Gefühls-Bandbreite von Erschütterung, Betroffenheit, Schauder, Entsetzen, Scham bis zu Bewunderung und Mitgefühl für die Überlebenden. Hervorragend auch die Randspalten mit den Kurzportraits und „Neues aus dem Krieg“.

Die angebrachte Frage auf Seite 1 „Kommt jetzt die bessere Welt?“ ist beantwortet, denn seit dem 8. Mai 1945 ist die Welt besser geworden. Dieser Krieg und der ihn verursachende Faschismus in Deutschland war wohl der Tiefpunkt der Menschengeschichte. Besonders beeindruckend die Erinnerung dieser Zeit von Regina Lawrowitsch. Ihr Ausspruch, dass ein Krieg nicht von heute auf morgen beginnt, dass es vielmehr eine Vorbereitung gibt, ist eine lehrhafte Kernaussage.ALBERT REINHARDT, Stralsund

Solidarisch sein

■ betr.: „Kita-Streik“, taz vom 7. 5. 15

Die Protestaktionen der Kitas sind lange überfällig und wir alle sollten solidarisch mit den Erzieherinnen und Erziehern sein. Eine Erzieherin durchläuft eine fünfjährige Ausbildung und es wurde auch schon darüber nachgedacht , diese Ausbildung einem Fachhochschulstudium gleichzusetzen. Dies wäre nur folgerichtig, denn die Ausbildung ist wohl auch schwieriger und aufwendiger als etwa ein Psychologiestudium. Und in der täglichen Arbeit wird von den Erzieherinnen von den Eltern fast Unmögliches abverlangt.

Der Beruf der Erzieherin ist heutzutage eine Fulltime-Stresstätigkeit. Die Mitarbeiter_innen in den Kitas verdienen unseren „hohen Respekt“. Wenn Manager Fehler machen, gehen sie halt mit hohen Abfindungen. Erzieherinnen legen bei den Kindern den Grundstein für die Entwicklung eines ganzen Lebens.ERWIN CHUDASKA, Rödermark

Kein allgemeines Fazit

■ betr.: „Die Antwort: Zweckoptimismus“, taz vom 11. 5. 15

Meike Laaff hat in der taz von heute versucht, ein Fazit zur Internet-Konferenz re:publica zu formulieren. Als ich gestern einen Blogbeitrag zur Veranstaltung geschrieben habe, bin ich zur Einschätzung gekommen, dass es nicht möglich ist, ein allgemeines Fazit der re:publica zu bestimmen.

Das ist aber eher positiv zu sehen: Durch die Vielzahl paralleler Veranstaltungen und die große Breite von Kommunikationsmöglichkeiten konnte sich jeder Interessent einen für sich spezifischen Weg durch die re:publica bahnen. Damit ist die re:publica eine kleine Veranstaltung, die das große Internet adäquat abbildet. Eigentlich gibt es das Internet genauso wenig wie Welt, um einen sehr populären Buchtitel des Bonner Philosophen Markus Gabriel abzuwandeln. Das Internet besteht aus Überwachung und Kontrolle, aber auch aus Veränderungspotentialen, Geschäftsideen und viel, viel Müll. Das Internet vernichtet Arbeitsplätze und schafft neue Berufsperspektiven. All diese Aspekte konnten in ihrer Vielfalt und Widersprüchlichkeit auf der re:publica erlebt und diskutiert werden.

Ändert man die Perspektive und sieht die re:publica aus der Sicht der Teilnehmer, dann kommt man auch zu einer Erklärung, warum es bisher weder Sascha Lobo, Markus Beckedahl noch anderen gelungen ist, die re:publica bzw. ihre Besucher zu politisieren. Viele Teilnehmer der re:publica studieren noch oder sind im Übergang zum beruflichen Einstieg. Ältere Teilnehmer sind schon im Geschäft und suchen Kooperationspartner oder wollen Ideen austauschen. Die Besucher haben also ein ganz praktisches, materielles Interesse an der Teilnahme. Die Referenten, die die Teilnehmer politisieren wollen, haben bisher keine Ideen entwickeln können, wie sie dieses praktische Interesse mit einer politischen Perspektive verbinden können. Das wurde beispielsweise auf der Veranstaltung von Johannes Kleske deutlich, wo auf steile Thesen („Maschinen machen uns nicht arbeitslos, sie werden unsere Chefs“) mit Unverständnis reagiert wird, weil entsprechende Thesen zwar gut publizistisch vermarktet werden können, aber eher wenig geeignet sind, konkrete Handlungsoptionen sichtbar zu machen. RAINER MEYER, Bonn