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Archiv-Artikel

LESERINNENBRIEFE

Radikale Gedanken fehlen

■ betr.: „Grün gezähmt und ausgezahlt“, taz vom 9. 4. 15

Was viele grüne Realpolitiker nicht begreifen: Politik ist der Kampf um die öffentliche Meinung. Dazu braucht man große Symbole und echte Streitfragen, deren alternative Beantwortung eine wirklich andere Lebenswelt formen kann. So organisiert man Macht.

Ein Beispiel aus Essen: Zwar haben die Essener Grünen viel für das Fahrradwegenetz getan, aber um den Anteil des Fahrradverkehrs wirklich nennenswert zu steigern, reicht es nicht, hier eine Einbahnstraße zu öffnen, da eine alte Bahntrasse umzubauen und dort ein paar Fahrradständer hinzustellen. Denn die Einkaufscenter in Essen werden quasi ohne Fahrradparkplätze gebaut. Stattdessen gibt es riesige Pkw-Parkplätze und einen beängstigenden Autoverkehr als Folge, sodass trotz neuer Fahrradwege zum Einkaufsparadies kaum ein Fahrradfahrer sich dorthin verirrt. An eine kleinteilige Stadtentwicklung und einen echten Umbau der Verkehrspolitik, die Platz für das Fahrrad schafft, indem man dem Auto erst mal Platz und Attraktivität nimmt, für solch „radikale“ Gedanken fehlt auch hier in Essen der Mut. Die großen Parkplätze senden klarere Signale an die Essener Bürger als ein paar enge Fahrradwege: Hier rollt des Deutschen liebstes Kind, rette sich, wer kann! Die Parkplätze sind das Symbol, das die vielen kleinen Schritte überbietet. Eine Citymaut hätte die Koalition schon bringen sollen; die Fahrradmillionen sind da nur Schmerzensgeld für eine vermutlich weiter verfehlte Verkehrspolitik.MICHAH WEISSINGER, Essen

Scheuklappendenken

■ betr.: „Selten oben ohne“, taz vom 11. 4. 15

Die Bürgerinitiative „Landschaft ohne Folie“ hat eine wichtige Diskussion angestoßen, und die Anmerkung von Herrn Thiermann über „Vorstellungen von der Landwirtschaft wie im 19. Jahrhundert“ ist das typische Scheuklappendenken vieler Unternehmer in der Agrarindustrie. Wir stellen an allen Ecken und Enden in der Landwirtschaft eine Fehlentwicklung fest, die sich zum Beispiel in der Gülleentsorgung, dem Einsatz von Pestiziden manifestiert. Diese Liste lässt sich beliebig fortsetzen. Begründet werden diese Auswüchse immer wieder mit dem Verbraucher, der ja täglich billiges Fleisch braucht! Nun also auch noch eine längere Spargelsaison. Das Abdecken mit Folie ist ja nicht das Ende der Fahnenstange, teilweise werden die Beete beheizt und irgendwann gibt es Spargel wohl schon zu Weihnachten. Ein Innehalten und Überdenken der Entwicklung ist absolut legitim, und Bürger, die das tun, sollte man nicht als pensionierte Spinner abtun! Im Übrigen: Was passiert mit den Kilometern an Folie nach der Ernte? HANS-JOACHIM BULL, Quickborn

Die Natur schafft Grau

■ betr.: „Mach mal grau!“, taz vom 11. 4. 15

Die Haare auf dem Kopf des Menschen sind entweder farbig (pigmentiert) oder farblos (unpigmentiert). Im Alterungsprozess nimmt bei vielen Menschen der Anteil der farblosen Haare zu. Das heißt, es entsteht eine Mischung aus naturfarbenen und farblosen Haaren. Man spricht von meliertem Haar. Bei dunkler Naturhaarfarbe entsteht hier von der Ferne betrachtet das Bild „grauer“ Haare. Deshalb ist die künstliche Haarfarbe „Grau“ färbetechnisch nicht zu erreichen – schon gar nicht der natürliche Effekt. Es werden ja immer alle Haare eingefärbt! Wirklich echte Grautöne erreicht nur die Natur oder die Perücke, bei der man eben verschiedenfarbige einzelne Haare miteinander mischt. KLAUS-PETER GRASSNICK, Remseck