LESERINNENBRIEFE :
■ betr.: Karstadt-Berichterstattung
Karstadt schlechtgeredet
Mich stört so langsam die einseitige und völlig monokausal argumentierende Berichterstattung zu dem Problem der ältesten deutschen Kaufhauskette, mit der ich aufgewachsen bin. Leider ist die sonst so von mir hoch geschätzte taz da auch keine Ausnahme. Ihnen scheint nicht bewusst zu sein, dass sie etwas mitkonstruieren, indem sie das Konzept schlechtreden und wirtschaftsliberal (fast schon neoliberal anmutend) mit der mangelnden Markttauglichkeit argumentieren.
Es geht hier um Arbeitsplätze, um Existenzen der „kleinen Leute“, was sie sehr oft auch trefflich dargestellt haben. Wo auch immer ich in eine Karstadt-Filiale komme, in welcher Stadt auch immer, ist der Laden ähnlich voll wie angeblich gut funktionierende Unternehmen. Wo da was ganz gewaltig schief läuft, sollte mal dringend geklärt werden. Zum Vergleich: C & A hat im Grunde genommen genau dasselbe konservative Konzept und der Laden läuft angeblich.
Karstadt prägt das Stadtleben ohne jede Frage in nicht unbeachtlichem Ausmaß. Ich persönliche hasse Malls und kaufe da nur, wenn es sich nicht vermeiden lässt. Und ich persönlich breche hier auch ganz bewusst eine Lanze für Karstadt, da ich damit immer Qualität und meistens gute Beratung zu erschwinglichen Preisen verbinde, ein gutbürgerliches Kaufhaus eben. Zweitens sind Teile des Unternehmens jüdisch. So sehr man nun auch mit absoluter Gleichberechtigung auf dem Markt argumentieren könnte, es waren unsere Groß- und Urgroßväter, die jüdische Geschäfte zerstört und geplündert haben. CHRISTIAN PETER OEHMICHEN, Karlsruhe
■ betr.: Bildungsstreik-Berichterstattung
Polizei gegen zivilen Ungehorsam
In einer deutschen Universität wird das Präsidium von mehreren Hundert, offenbar frustrierten, Studierenden spontan besetzt. Menschen mit völlig verschiedenen Ansichten setzen sich in Bewegung, weil ihnen „die größte Vollversammlung seit Jahren“ offenbar nicht ausreichend erscheint, um ihrem Unmut Ausdruck zu verleihen. Und trotzdem bleiben sie friedlich, es ist ein Akt zivilen Ungehorsams.
Statt sich jedoch auf ein konstruktives Gespräch mit den Studierenden einzulassen, stellt das Präsidium der Freien Universität Berlin um Dieter Lenzen Strafantrag wegen Hausfriedensbruchs. Der zivile Ungehorsam wird noch am selben Tag von der Polizei unter Anwendung von Zwangsmitteln jäh beendet. Ein Skandal, der einen Aufschrei provozieren muss. Sollte man zumindest meinen. Aber über den Regionalteil kommen alle bisherigen, teilweise sehr kreativen Protestaktion nicht hinaus. Welchen Nutzen kann Protest haben, wenn er nicht kommuniziert wird, also öffentlich nicht wahrgenommen werden kann? Und wo soll er kommuniziert werden, wenn nicht in der taz? BENJAMIN WUNDERLE, Berlin
■ betr.: „Die Linie der Gottlosen“, taz vom 17. 6. 09
Gibt es ihn oder nicht?
Der Artikel verfehlt leider seinen angekündigten Zweck, nämlich zu zeigen, welche Reaktion „Gottlosigkeit“ bei Deutschen hervorruft. Weil er nur laue Anekdoten über teilweise kindische Spielchen zwischen zwei Busteams berichtet, wird die mediale Breitenwirkung der Buskampagne (positiv oder negativ) ausgeblendet. Im Übrigen: Wenn das Motto des Gottesbusses „Und wenn es ihn doch gibt …“ lautet, dann zeigt dies zumindest, dass eine kritisch-skeptische Nachfrage nicht ganz verkehrt sein kann. Gläubige (fundamentalistisch-evangelikale zumal) müssten eher kämpferisch „Und es gibt ihn doch!“ texten, sind sie sich doch der Existenz ihres angebeteten Glaubensbildes sicher. Oder etwa doch nicht? MAIK HARMS, Hamburg
■ betr.: „Die Sahara-Sonne macht’s“, taz vom 17. 6. 09
Ernten auf dem eigenen Dach
Es wäre zu schön, um wahr zu sein: Zwanzig Konzerne organisieren für uns arme, ständig frierende Nordländer im Dienste der Nachhaltigkeit die notwendige Energie für ein betuliches Leben aus der – mehr oder weniger unnützen (!) – Sahara. „Technologisch bestechend und realisierbar“, das reicht den Promotoren als Begründung aus, Greenpeace und der offensichtlich bereits vergreiste Club of Rome klatschen auch noch Beifall. Was will man mehr? Also alles wie gehabt: Großtechnologie mit zentralistischer Finanzierung in Krisen- und Schwellenländern, und wir hängen wie bisher an den Steckdosen von RWE und Konsorten? Das kann doch nicht das Ergebnis von vierzig Jahren Umweltbewegung sein – oder doch? Was brauchen wir wirklich für ein gutes Leben? Die 2.000 Watt kriegen wir noch allemal von der Sonne in unseren Regionen. Lassen wir die Sahara in Ruhe und ernten wir auf den eigenen Dächern! UWE SCHEIBLER, Göttingen
■ betr.: „Gläubig ohne Verrenkung“, taz vom 17. 6. 09
Homosexualität ist nicht schädlich
Hilal Sezgin stimmt in ihrem Artikel der Behauptung Tarik Ramadans zu, der Dalai Lama würde Homosexualität missbilligen, und sie, wie die islamische Tradition, „zwischen Verirrung, Krankheit und Sünde“ ansiedeln. Dies stimmt so nicht. Was der Dalai Lama über Homosexualität denkt, kann man in seinem Buch „Ratschläge des Herzens“ nachlesen: „Nach meinem Verständnis und nach allgemeiner buddhistischer Auffassung stellt Homosexualität in erster Linie einen Verstoß gegen manche Verhaltensregel dar; im Unterschied zu einer Vergewaltigung, einem Mord oder anderen Handlungen, die Menschen Leid zufügen, ist sie aber an sich nicht schädlich. Genau das Gleiche gilt auch für die Masturbation. Deshalb gibt es überhaupt keinen Grund, Homosexuelle auszugrenzen oder ihnen gegenüber eine diskriminierende Haltung einzunehmen.“ Im Gegensatz dazu werden in manchen islamischen Ländern Homosexuelle bis heute zum Tode verurteilt und ermordet. Die eigentliche „Verrenkung“ in diesem Artikel besteht darin, den Dalai Lama zu bemühen, um dadurch Verständnis für Homophobie zu erheischen. ALEXANDER SÖNDGEN, Sitters