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Archiv-Artikel

LESERINNENBRIEFE

Kalte, perfide Wucht

■ betr.: „Im Zuge der Endlösungsvorhaben …“, taz vom 20. 1. 2012

Meinen aufrichtigen Dank für die Titelseite und die Wannsee Dokumentation. Vor allem auch die Courage, ein Fünftel der Zeitung zur Verfügung zustellen. Ich habe sie gelesen, und obwohl ich mich mit 57 Jahren und geschichtlich interessiert für gut informiert gehalten habe, war ich auf diese kalte, perfide Wucht nicht vorbereitet. Es war erschütternd und aufwühlend und trotzdem: Danke! Gibt es doch immer noch/schon wieder genug „Mahner“ die glauben: „Jetzt muss aber mal langsam Schluss sein mit diesem Judenkram!“ Und das sind leider, leider nicht nur die Gestrigen.

Ich arbeite als Kernzeitbetreuerin in einer Realschule und vorgestern hat mir ein jugendliches Kind, 13 Jahre alt, Folgendes gesagt: „Aber alles war doch nicht so schlecht, was der Hitler gemacht hat.“ Ich glaube: Zeitunglesen sollte zur Pflicht in der Schule werden.

SIBYLLA NACHBAUER, Erlangen

Wovon Frau Aigner träumt …

■ betr.: „Aigner attackiert Agrardemonstranten“, taz vom 20. 1. 2012

Wovon träumt Frau Aigner eigentlich nachts? Das kann ja nur ein Tagtraum von ihr sein, wenn sie sagt: „Die Landwirtschaft hat sich stark verändert zugunsten der Verbraucher, der Tiere und der Umwelt.“ Da kann ich nur darüber lachen. Dass die armen Hühner in den „Eierfabriken“ und „Fleischfabriken“ ein wenig mehr Platz bekommen haben, ist ja schön. Aber was hat sich sonst geändert? Es wird weiterhin in Großbetrieben Fleisch in unvorstellbaren Mengen produziert und zum Teil wieder vernichtet, es wird auf den Feldern gedüngt auf Teufel komm raus, Tiere werden gequält und misshandelt und die Menschen werden immer kränker. Wo bitte hat sich also etwas geändert?

Außerdem ist es infam von Frau Aigner zu sagen, dass die Demonstranten vielleicht satt wären, aber eine Milliarde Menschen auf der Welt nicht. Würden nicht so viele „Abfälle“ von Lebensmitteln in die Drittländer exportiert und dort die Bauern und Erzeuger dadurch kaputt gemacht werden, dann müssten auch nicht so viele Menschen hungern. Aber es geht ja immer nur darum, so viel wie möglich an dem Leid anderer zu verdienen. MONIKA MICHALSKI, Stuttgart

Würdig leben unter Fluglärm?

■ betr.: „Rebellion des Speckgürtels“, taz vom 14./15. 1. 2012

Der Leidensdruck der Stadt Offenbach mit 118.000 Einwohner – wie der gesamten Region – ist durch den Ausbau des Rhein-Main-Flughafens massiv gestiegen. Durch die Inbetriebnahme der neuen Landebahn ist nun beinah das gesamte Stadtgebiet von massivem Fluglärm betroffen.

700 Flugzeuge überfliegen uns heute täglich in einer Höhe von 700 bis 1.100 Metern und es sollen sehr viel mehr werden. Für schutzbedürftige Einrichtungen wie Kindergärten und Schulen besteht aufgrund des Fluglärms in einem Großteil des Stadtgebiets Bauverbot. Wie lässt sich da noch würdig leben?

Offenbach ist nicht bekannt als Stadt der Reichen oder Besserverdienenden, stattdessen als multikulturelle Stadt mit niedrigen Mieten. Künftig wird hier wohl nur noch wohnen bleiben, wer es sich nicht leisten kann, dem Lärm zu entfliehen.

Unter dem Stichwort „Laut gegen Fluglärm“ werden im Internet Unterschriften für eine Petition im Bundestag zur Verminderung des Fluglärms gesammelt. Nicht die Verlagerung des Fluglärms kann das Ziel sein, sondern die Reduzierung von Fluglärm und Schadstoffausstoß – egal wo. CHRISTIANE NETTE, Offenbach

Kultur und Bildung für Chemnitz

■ betr.: „Cui bono, Chemnitz?“, taz vom 2. 1. 12

Anfänglich hatte ich mich über Michael Gückels Artikel geärgert, wenngleich ich ihn sehr wohl als Satire verstanden hatte. Aber ich hatte gehofft, der Artikel werde auch in unserem Rathaus gelesen und (richtig!) verstanden. Zumindest wurde er zur Kenntnis genommen, wie die Reaktion unserer Oberbürgermeisterin zeigt. Nun kann ich, können wir Chemnitzerinnen und Chemnitzer nur hoffen, dass auch die notwendigen Schlussfolgerungen in den Ratsstuben gezogen werden und sich unsere Lokalpolitiker nicht länger hinter der Ausrede verstecken, schon genug für die Bürger und das Ansehen der Stadt getan zu haben, indem sie ein höchst nobles Geschenk an den Chemnitzer FC beschlossen: umfangreiche und kostspielige Sanierung des Fußballstadions, wofür der Fußballclub nichts weiter tun muss, als Fußball zu spielen … Ich hoffe, unsere Stadtoberen nehmen auch zur Kenntnis, dass es unter ihrer Wählerschaft genügend Menschen gibt, denen die Unterstützung und der Ausbau von Kultur, Bildung, Infrastruktur usw. in dieser Stadt zumindest genauso am Herzen liegen wie die Förderung von Fußball oder Sport schlechthin. So gesehen hat der Artikel doch mehr für Chemnitz bewirkt als anfangs „befürchtet“. EVA FICHTE, Chemnitz