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Archiv-Artikel

LESERINNENBRIEFE

Geburt nach Kalender

■ betr.: „Gier frisst Hirn“, taz vom 27. 3. 12

Es gäbe in meiner Welt viele Gründe, warum eine freischaffende Hebamme ihre Klientenfamilien nicht wie ein Uhrwerk schön logisch anfahren kann: Vielleicht fehlt es einfach an den Ellenbogen, um am Telefon die gerade mit der Geburt eines Kindes Beschäftigten davon zu überzeugen, nach dem idealen Kalender der Dienstleistenden selber zu funktionieren? Vielleicht ist Susi verantwortlich für ein bis mehrere eigene Kinder oder älterer Familienangehörige? Und fährt zwischendurch nach Hause (einer der „Vorteile“ der freischaffenden Tätigkeit)? Ich bin enttäuscht, dass die taz nicht wenigstens nachhakt. Auch ein Ex-BKAler könnte es ja schaffen, in Imperfektion nicht nur den Betrug zu sehen. Der taz anscheinend zu spekulativ oder verschlafen?

Was ich als Leser einer linken, kritischen Zeitung jedoch schon erwartet hätte, wäre (nur so, für die eigene Einordnung):

Wie hoch ist denn nun der Tageslohn dieses vermeintlichen oder echten 19-Stunden-Tages einer solchen Freiberuflerin? Und wie viele Tage kann sie in dieser Weise monatlich im Schnitt der Techniker Krankenkasse gegenüber darstellen? Wenn das nicht kommt, kann ich auch andere langweilige Zeitungen lesen.

CARSTEN WINKLER, Berlin

Eine Frage der Perspektive

■ betr.: „Autos raus aus der Stadt?“, „Nein“ von Ellen Lohr,taz vom 24. 3. 12

Ich habe auch drei Kinder und noch nie im Leben ein Auto besessen. Nicht in Berlin, nicht in Freiburg und nicht in Genf. Zur Schule gehen die größeren Kinder zu Fuß. Den vier Kilometer entfernten Kindergarten erreiche ich mit Fahrradanhänger (früher bei zwei Kindern mit Sitz und Hänger). Dies meist schneller als die autofahrenden Eltern, die in der Rushhour in einem „Nadelöhr“ feststecken. Zum Kinderarzt geht es mit Kinderwagen, Tragetuch oder „Baby Björn“ – und im Notfall mit dem Taxi. Die „Großen“ wissen, wie sie sich in Bus, Bahn und im Straßenverkehr zu benehmen haben. Natürlich nerven sie trotzdem manchmal rum, aber nicht mehr, als wenn sie im Auto festgeschnallt sind.

Und ja, Regen, Wind und Autofahrer sind nervig und manchmal auch gefährlich. Aber Stau, Parkplatzsuche, quengelnde Kinder auf dem Rücksitz und teurer Sprit, Steuern und Versicherungen auch. Und: Ich gefährde keine fremden Kinder auf dem Schulweg! Ach ja: Mein Partner und ich sind beide berufstätig …

Alles eine Frage der Perspektive. CORINNA FISCHER, Genf, Schweiz

Reine Augenwischerei

■ betr.: „Unterm Strich weniger als Hartz IV“, taz vom 27. 3. 12

Götz W. Werner und Adrienne Goehler halten 1.000 Euro für erforderlich, um ein existenz- und teilhabesicherndes Grundeinkommen auch real umsetzen zu können. Katja Kipping von der Linkspartei fordert sogar 1.500 Euro pro Person. In diesem Bereich, also zwischen 1.000 und 1.500 Euro, müsste ein Grundeinkommen tatsächlich liegen, wenn es keine Verschlechterung zu den jetzt unter Hartz IV bestehenden Regelsätzen geben sollte. Götz W. Werner präferiert zur Finanzierung dieser Summe einen starken Anstieg der Mehrwertsteuersätze – der Vorteil ist: Die Mehrwertsteuer zahlen alle, sowohl Arme wie Reiche, und es ist im Normalfall unmöglich, sich der Mehrwertsteuerpflicht zu entziehen.

Das jetzt von den Piraten ins Spiel gebrachte Modell ist reine Augenwischerei, denn gerade der Mietanteil verschlingt gegenwärtig den Großteil aller Hartz-IV-Kosten. Ein Grundeinkommen, welches die Miete nicht pauschal absichern hilft, ist der Rede nicht wert und daher bloße Parteipropaganda.

Auch bei den Grünen gibt es vereinzelte Befürworter eines bedingungslosen Grundeinkommens, wie etwa Arfst Wagner, der auf der Landesliste von Bündnis 90/Die Grünen für die Landtagswahl in Schleswig-Holstein auf einem aussichtsreichen Platz steht. Die Diskussionsvorstöße vonseiten der Basis der Grünen über ein bedingungsloses Grundeinkommen als Programmpunkt für die Bundestagswahl wurden allerdings bislang stets erfolgreich von Parteigranden wie Bütikofer und Kuhn abgewehrt. Die Parteibasis folgte hier bislang wohl mehr unwillig der herrschenden Parteiräson.

MICHAEL HEINEN-ANDERS, Köln

Kleine Meldung, großer Inhalt

■ betr.: „Vorletzter Atommeiler vom Netz“, taz vom 27. 3. 12

Wie ist es möglich, dass ein hochtechnologischer Industriestaat wie Japan nur ein Jahr nach Fukushima von seinen 54 Atommeilern bereits 53 Atommeiler vom Netz genommen hat, ohne dass die Welt vom wirtschaftlichen und tatsächlichen Zusammenbruch dieses Staates und seiner Industrien, Haushalte und vieles mehr liest?

Wieso ist in Japan innerhalb eines Jahres möglich, was uns Politiken und Industrien unterschiedlichster Länder als unmöglich „verkaufen“ und die Welt stattdessen weiterhin den zusätzlichen Gefahren von möglichen GAUs, noch mehr produziertem (ohne sichere Endlagerungen weltweit) Atommüll, neu geplanten Meilern u. a. aussetzen? Das bitte sollen sie uns genau am Beispiel von Japan erklären, das meines Wissens weder Tausende Windräder, Wasser/Gas/Bio-Kraftwerke, Überlandleitungen noch Millionen von Fotovoltaikanlagen innerhalb eines Jahres installierte!

Brauchen die Politik, die Industrie, die Menschen jedes Landes immer erst ein tödliches Grauen wie Fukushima?

KATHY CZAJA, Düsseldorf