LESERINNENBRIEFE :
Verschweigen, verschleiern
■ betr.: „Krieg ohne Gefühl“, taz vom 15. 8. 09
Vielen Dank für den erhellenden Artikel von Bettina Gaus. Den Parteien, CDU wie SPD, kommt es gerade recht, dass die meisten Bürger im Wahlkampf andere Sorgen als Afghanistan haben. Mit verschweigen, verschleiern hält man das Thema mit Hilfe der meisten Medien (Ausnahme taz und wenige andere) so gut es geht fern, eine öffentliche Diskussion soll nicht aufkommen. Eben hat die Welthungerhilfe die verfehlte, verlogene Politik der Bundesregierung angeprangert – es wird so wirkungslos bleiben wie vieles andere. Die Toten, wenn es nicht gerade einmal Soldaten der Bundeswehr als peinliche Zufälle sind, bleiben ungezählt, fern. Tagelang erfährt man nichts, während Deutschland im Krieg am Hindukusch ist. Und so soll es nach Herrn Struck, SPD, und dem Verschleierungsminister Jung, CDU, zehn Jahre weitergehen. PETER R. FRANK, Heidelberg
Negatives aus dem Saarland
■ betr.: „Leben und trinken lassen“, taz vom 14. 8. 09
„Hauptsach, gutt ’gess!“ Ein Saarländer ist Grillweltmeister, das ist ja nett und witzig. Was das allerdings an dieser Stelle zu suchen hat, bleibt mir ein Rätsel. Saarbrücken wurde im April dieses Jahres als erste Fairtrade-Stadt in Deutschland ausgezeichnet. Diese Nachricht war der taz keine Zeile wert. Das heißt, die Saarländer/SaarbrückerInnen essen nicht nur hauptsächlich gutt, sondern auch besonders gerne fair und bio. Ich würde empfehlen, sich künftig die Artikel von taz-Autor Peter Klingelschmitt zum Saarland (seine anderen Beiträge finde ich durchaus okay) mal unter dem Aspekt anzuschauen, dass immer!!! ein Seitenhieb dabei sein muss. Durchgängig in jedem Artikel, und das ist nicht nur mein Eindruck, finden sich diskriminierende Äußerungen. „Saarländischer Grüner klaut Badematten“ wurde ohne inhaltlichen Zusammenhang mindestens zwanzigmal erwähnt.
Auch ansonsten sieht es für den Rest der Republik so aus, dass wir hier besonders rückständig zu sein scheinen. So hatte ich die taz darüber informiert, dass das Saarbrücker Kollektiv „Der Buchladen“ sein 30-jähriges Bestehen feiert, nachdem kurz davor einem Freiburger Schreinerkollekiv in der taz für sein langjähriges Bestehen eine ganze Seite gewidmet wurde. Aber positive Meldungen aus dem Saarland passen scheinbar nicht ins Bild, statt dessen werden wir mit der endlosen Wiederholung abgedroschener Klischees versorgt. Gähnend langweilig und eine bleischwere Müdigkeit erzeugend. Mein Gott, taz!!! DORIS E. MÜLLER, Saarbrücken
Heulend beim Betriebsrat
■ betr.: „Im Alter Mobbing statt Respekt“, taz vom 15. 8. 09
Vielen Dank für den Mobbing-Artikel. Es gibt auch noch andere Möglichkeiten, ungeliebtes Personal loszuwerden. Neben der Methode, Einzelne damit fertigzumachen, dass der Kaffeebecher verschwindet oder der Bürostuhl, werden auch gern „Mitarbeitergespräche mit Zielvereinbarungen“ geführt. Hier werden dann so hohe Ziele vereinbart, dass sie praktisch unerreichbar sind. Der Druck entsteht dann nicht mehr durch den Vorgesetzten, die „indirekte Führung“ macht jeden quasi zum eigenen Profitcenter, und man bleibt, bis die Arbeit fertig ist, auch mal über zehn Stunden, da wird dann einfach die Uhr ausgemacht, damit der Chef nicht merkt, dass man’s in der Normalarbeitszeit nicht schafft. Das macht man so lange, bis man vom Stuhl fällt.
Für aus dem Erziehungsurlaub zurückkehrende Mütter, die ja arbeitgeberseits sehr ungern gesehen sind (Teilzeit, ständiges Fehlen wegen kranker Kinder) hat man ein ganzes Repertoire zur Hand: Zunächst wird gesagt, in der Abteilung, in der sie „zu Hause sind“, ist kein Platz mehr, sie müssten woanders hin (und schürt damit die Angst, weil für den anderen Bereich kein Know-how da ist). Dann heißt es, mit Teilzeit geht nicht, Vollzeit oder gar nicht. Die Mütter, die wissen, dass ihnen Teilzeit aufgrund des Teilzeit- und Befristungsgesetzes zusteht, versucht man dann zu zwingen, ihre Teilzeit über fünf Tage zu verteilen. Haben sie sich von all dem nicht kleinkriegen lassen, werden sie von den am Rande der Erschöpfung arbeitenden KollegInnen in die Mangel genommen, weil die unbeliebten Spätschichten von den Müttern nicht gemacht werden können.
So sind bei uns im Betrieb schon einige Rückkehrwillige dazu gebracht worden, zum Ende der Elternzeit zu kündigen – Rücksichtslosigkeit, sprich: Kapitalismus in Perfektion, danke Personalabteilung, aber wartet nur ab, morgen seid Ihr dran und sitzt heulend bei uns im Betriebsrat!
All die Unternehmensziele, Leitideen, Kundenversprechen, Loyalität, Switsch, Swoosh, grünes Band – das ist doch alles kalter Kaffee! Dabei geht es doch nur darum, den MitarbeiterInnen einzureden, sie würden tatsächlich am Unternehmenserfolg teilhaben und 400 Millionen Gewinn nach Steuern wären toll für dich! Und nicht etwa dazu da, es dem französischen Hauptaktionär auf der neuen 100-Meter-Yacht zu besorgen, sondern weil das Unternehmen ’ne große Familie ist – Scientology-Dreck!
Was tun? Der erste Weg von Mobbingopfern sollte natürlich zum Betriebsrat gehen (so vorhanden, sonst gründen! Wendet euch an die DGB-Gewerkschaften, die sind zwar nicht Nonplusultra, aber die Einzigen, die den Namen Gewerkschaft zu Recht tragen!) An zweiter Stelle steht der Weg zur Betriebsärztin offen. In der ganzen Problematik psychischer Belastungen, Stress und Mobbing sind starke BetriebsrätInnen gefragt, die zum Beispiel zu Zielvereinbarungen oder rückkehrenden Müttern schützende Betriebsvereinbarungen verhandeln müssen. Außerdem sollte jeder Betriebsrat vom Arbeitgeber die Arbeitsbedingungen einer Gefährdungsanalyse mit Blick auf psychische Belastungen unterziehen lassen, wie es Arbeitsschutzgesetze vorschreiben und was kaum gemacht wird. Mobbing im Betrieb ist auch eine Frage ernsthafter Betriebsratsarbeit! CLAUDE SÁ HAMP, Lynchbany, Irland