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Archiv-Artikel

LESERINNENBRIEFE

Nur Showeffekte und Klamauk

■ betr.: „Delius zieht Kandidatur zurück“, taz vom 23. 4. 12

Die Piratenpartei liegt zurzeit im Wählertrend vorn. Ganz hinten liegen Mitglieder dieser Partei, wenn sie die Wahlerfolge mit denen der Nazi-Partei in Deutschland vor 1933 vergleichen und ihren Aufstieg in der Wählergunst mit dem der NSDAP gleichsetzen.

Die Piratenpartei ist im Moment ein Politikversuch ohne Langzeitwirkung, der sich medienwirksam mit Modethemen rund um das Internet in Szene setzt. Mehr nicht!

Nur mit Showeffekten und Klamauk einen angeblich neuen Politikstil ohne weitere Inhalte zu erfinden degradiert die Piratenpartei schnell wieder zu einer kleinen Splitterpartei, die als politische Eintagsfliege keine Spuren in der bundesdeutschen Parteienlandschaft hinterlassen wird. Ähnlich dem schnellen Aufstieg und Niedergang der sogenannten Schill-Partei in Hamburg.

ALBERT ALTEN, Wernigerode

Macht demonstrieren

■ betr.: „Herdprämie: SPD droht mit Klage“ u. a., taz vom 23. 4. 12

Man muss sich doch fragen, welche Vorteile die nächsten Generationen aus solch einem Betreuungsgeld ziehen, außer dass die Staatsverschuldung weiter steigt und die Schulden sich dadurch nicht verringern; und das für ein Gesetz, das sich eher kontraproduktiv auf Kinder und deren Entwicklung auswirken würde! Auf der anderen Seite schafft man es nicht, das selbst gesteckte Ziel – flächendeckend genügend Kindergärten/Horte einzurichten – trotz des eigentlich ausreichenden Zeitrahmens einzuhalten!

Wenn es bei politischen Entscheidungen nur um Machtdemonstrationen und nicht um die sachliche Auseinandersetzung und die beste Lösung geht, dann erklärt sich auch, warum so viel Vertrauen und Glaubwürdigkeit verloren geht. Und es erklärt, warum die Piratenpartei eine solche Zustimmung als Protestpartei erhält und hoffentlich noch mehr erhalten wird.

VOLKER UHLENBROCK, Ückeritz

„Erfolgsgarantie“ verweigern

■ betr.: „Amok. Es ist noch alles da“, taz vom 21. 4. 12

Sehr einfühlsamer, persönlicher und berührender Artikel. Nur, zehn Jahre nach Erfurt und nach „Wir müssen über Kevin reden“ ist es an der Zeit, „Tätern“ die „Erfolgsgarantie“ zu verweigern. Keine Täternamen – nicht in Zeitungsartikeln oder sonst wo in den Medien.

SILKE SCHÜLER

Nicht aufmerksam genug

■ betr.: „Den Kopf immer tiefer in den Sand“, taz vom 11. 4. 12

Dank sei Christian Füller, dass er zum Thema Missbrauch und Reformpädagogik auf Absichtlichkeit und Strategie des Verschweigens hinweist. Im Vorwort zu dem Buch „Reformpädagogik in der Schulpraxis“ von über 30 Autoren heißt es, „die Herausgeber sehen keinen solchen Zusammenhang“. J. Oelkers einziger kritischer Buchbeitrag darin könnte so für die Diskussion als Feigenblatt dienen. Seine Frage: „Wieso konnte ein Topos wie der pädagogische Eros in der Reformpädagogik überhaupt so wirkmächtig werden?“, ist insofern leicht zu beantworten, als – kurz gesagt – so gut wie nie eine Diskussion dazu stattfand, nicht einmal nach den ersten Anzeichen – ja, und nun möglichst wieder nicht!

Füllers Frage: „Wie konnte es sein, dass ausgerechnet die demokratische Musteranstalt (Odenwaldschule) jahrelang die öffentliche Entdeckung des Missbrauchs verhinderte?“, ist schwer zu fassen. Doch ist sie an erster Stelle zu klären! Genauer ist zu fragen: Wie blenden Menschen, die sich explizit der Erziehung zu freiem und demokratischem Verhalten widmen, greifbare Bereiche aus? Ein Hinweis kann die bei Füller angedeutete Trennung innerhalb einer Person sein: einerseits der Buchautor Edelstein (Ex-Max-Planck-Direktor und Architekt der demokratischen Strukturen der Odenwaldschule) und andererseits derselbe im Gespräch: Der Schulleiter habe die Zivilcourage durch seinen Charme betäuben können. Soll das andersherum heißen, dass er, sowie alle anderen mit der Odenwaldschule befassten, wegen anhaltenden Black-outs nichts gewusst haben konnte?

Reformpädagogik ist im Ansatz richtig, für Missbrauchsverhalten war und ist man offensichtlich nicht aufmerksam genug. Wie wird Zivilcourage gestärkt in einer gelegentlich doppelbödigen Demokratie? Vor allem bedarf es einer Atmosphäre, die mehr (Selbst-)Wahrnehmung und Austausch ehrlichen Empfindens möglich macht, fördert und stärkt. HEILWIG KÜHNE, Fischerhude