piwik no script img

Archiv-Artikel

LESERINNENBRIEFE

Etwas mehr Gründlichkeit

■ betr.: „Ärzte jammern und drohen“, taz vom 3. 9. 12

Bin selber Allgemeinmediziner und stehe den Verhandlungen skeptisch gegenüber. Ich wünschte mir aber in der Recherche zum Artikel etwas mehr Gründlichkeit.

Bei den genannten Zahlen geht es um Umsätze, also das Geld, von dem erst einmal Personal, Arbeitsmittel, Geräte, Haftpflichtversicherungen u. Ä. und Rücklagen bezahlt werden müssen. Dann kommt die Steuer weg. Dann kann wohl von Einkommen gesprochen werden. Jetzt geht die private Vorsorge ab. Was dann bleibt, ist das Netto. Ich fände es fair, wenn dies auch mal so berechnet und beschrieben würde.

Ferner, was soll die ewige Vermischung von Kassen und Privatpatienten in einer solchen Debatte. Es geht doch gerade darum, dass die Vergütung der Mehrzahl der Patienten (GKV) geregelt wird. Deren Versorgung soll ja gerade nicht durch Privatpatienten quersubventioniert werden. BERNHARD HOFMEIER, Suhl

Die wirklich wichtigen Dinge

■ betr.: „Ärzte wollen es knallen lassen“, taz vom 4. 9. 12

Ich war fast 40 Jahre praktischer Arzt in Kiel mit einer sozialen, gesprächsorientierten Haltung und einem mehrdimensionalen Menschenbild. Rückenschmerzen waren nicht nur Rückenschmerzen, Bluthochdruck nicht nur ein Messwert, sondern ein Geschehen mit psychosozialen, arbeitsrechtlichen und oft psychosomatischen Zusammenhängen. Zeit für die Leute und deren Probleme haben, auf gleicher Augenhöhe miteinander die Dinge klären: darum sollte es gehen, wenn über Probleme in der ärztlichen Versorgung gestritten wird. Das ökonomisch und eindimensional verengte Menschenbild gehört in den Fokus der Debatte. Für diese Art Medizin wird tatsächlich zu wenig Geld ausgegeben, zu wenig gestritten.

Ich habe seit 1986 sieben Renovierungen der Gebührenordnung für Ärzte miterlebt. Jedes Mal wurde versprochen, nun die gesprächsorientierte Medizin zu stützen, und nichts passierte. Von 160.000 Euro pro Jahr konnte ich nur träumen. Weder Politik noch Krankenkassen (diese superbürokratische Behörde) noch Ärztevertretungen noch Heike Haarhof streiten über die wirklich wichtigen Dinge.

PETER REIBISCH, Kiel

Niedrigstrahlung ist gefährlich

■ betr.: „Mutationen in Fukushima“, taz vom 4. 9. 12

Wer die Arbeiten von Cornelia Hesse-Honegger kennt, ist von den Berichten über mutierte Bläulinge in der Präfektur Fukushima nicht überrascht. Frau Hesse-Honegger, wissenschaftliche Zeichnerin aus der Schweiz, hat Blattwanzen (Heteroptera) in der Umgebung von Tschernobyl, aber auch im Umfeld von Atomkraftwerken in aller Welt untersucht. Sie hat zahlreiche Fehlbildungen zum Beispiel an Flügeln, Fühlern und Beinen gefunden und ausführlich dargestellt. In unbelasteten Referenzbiotopen gab es diese Auffälligkeiten nicht.

Der von Ihnen zitierte Biologe Timothy Mousseau und seine internationalen Mitarbeiter haben in den Jahren 2010 und 2011 Insekten, Amphibien, Reptilien, Vögel und kleine Säugetiere in der Umgebung von Tschernobyl untersucht. Ihr Fazit: Die Anzahl der Arten und die Populationsdichte der einzelnen Arten sind biologische Indikatoren für Radioaktivität in der Umwelt. Bei Vögeln fanden sie eine Korrelation zwischen zu geringen Kopfmaßen bzw. einem zu kleinen Gehirn und der am Fundort gemessenen ionisierenden Strahlung.

Alles weist darauf hin, dass Niedrigstrahlung für alle Lebewesen und ihre Nachkommen hoch gefährlich ist. Nur haben Behörden und atomfreundliche Wissenschaftler, zu denen man auch die VerfasserInnen der von Ihnen erwähnten „Entwarnung gebenden WHO-Studie“ rechnen muss, große Schwierigkeiten damit, sich endlich von den vertrauten alten Lehrmeinungen, dem immer wieder beschworenen „gegenwärtigen Kenntnisstand“ zu verabschieden.

WINFRIED EISENBERG, Kinderarzt,

IPPNW-Arbeitskreis Atomenergie, Herford

Wer glaubt an den Osterhasen?

■ betr.: „Der Flügelschlag des Schmetterlings“, taz vom 4. 9. 12

Cornelia Hesse-Honegger dokumentiert seit Tschernobyl morphologische Schäden bei Wanzen in der Umgebung von Atomanlagen, überzeugend dargestellt in ihrem Werk „Heteroptera“. Wer behauptet, künstliche Radioaktivität in kleinen Mengen sei unschädlich, steht entweder auf der Gehaltsliste der Atomkonzerne oder glaubt an den Osterhasen … RITA PÖNICKE, Dortmund