LESERINNENBRIEFE :
Ein kleiner Funke Hoffnung
■ betr.: „Grundeinkommen. Der Turmbauer zu Basel“,taz vom 15. 10. 09
Als ich den unverschämten Mantrasatz Daniel Hänis las: „Es geht ganz gut, was alles nicht geht“, fielen mir einige ebenso schöne Sätze ein, die ich 1969 auf der Straße hörte, als ich von Bern nach Frankfurt gekommen war. Zum Beispiel: „Alles ist machbar, Herr Nachbar!“, oder: „Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen!“
Karl Marx hatte in seiner Kritik am Gothaer Programm die feministische Form „Alle nach ihren Fähigkeiten, allen nach ihren Bedürfnissen“ noch nicht erfunden. Aber die Schweizer! Die bodenständigen Realisten wollten sicherlich kein „Gschtürm“ (Berndeutsch für „chaotische Diskussion über Sachen, die eigentlich nicht gehen“). Doch hat sich in der Schweiz nach 1969 einiges ereignet, das eigentlich gar nicht geht. Es wurde ein allgemeines Stimm- und Wahlrecht für Erwachsene, auch für Frauen, jedenfalls formal eingeführt, eine Möglichkeit, den Militärdienst zu verweigern, Internetanschlüsse für viele usw. Das ist vielleicht ein kleiner Funke Hoffnung nach all den betrüblichen Berichten über die Biografie Ulrike Meinhofs, über die Ausweitung des Welthungers, die Verlängerung der Laufzeiten für Atomkraftwerke usw.
MARIANNE VON GRAEVE, Frankfurt am Main
Verräterische Sprache
■ betr.: „Die Koalition lässt AKWs länger laufen“, taz vom 16. 10. 09
Manchmal kann Sprache verräterisch sein: „Als sicher geltende Atomkraftwerke“ sollen länger laufen dürfen. Aber was nutzt es, dass sie als sicher „gelten“, wenn sie nicht tatsächlich sicher sind? Daran glauben die Neukoalitionäre offensichtlich selber nicht …
BURKHARD SANNER, Gießen
Gut gemacht, FDP
■ betr.: „FDP schafft ein bisschen mehr Bürgerrechte“,taz vom 17. 10. 06
Gut gemacht, FDP! Aus bürgerrechtlicher Sicht kann sich das Ergebnis der Koalitionsverhandlungen zum Thema innere Sicherheit absolut sehen lassen. Keine Frage, es ist ein Kompromiss, aber ein guter, den man der FDP so nicht zugetraut hätte: Kein zweifelhaftes Sperren von Internetseiten mehr, dafür aber Tilgung der Kinderpornoseiten aus dem Netz – das ist von Anfang an die Forderung der Internetcommunity gewesen. Und mit der kompletten Aussetzung der Vorratsdatensammlung war angesichts von EU-Vorgaben ohnehin nicht zu rechnen. Deshalb ist hier die Beschränkung der Auswertung auf schwere Straftaten ebenfalls ein Fortschritt für den Datenschutz. Und auch die Onlinedurchsuchung des BKA wird durch die vorherige Begutachtung durch einen BGH-Richter künftig vertrauenswürdiger gestaltet – auch das ist gut.
Kurzum: Als Grüner muss man das Ergebnis mit einem lachenden und einem weinenden Auge betrachten: mit einem lachenden, weil die Erosion der Bürgerrechte durch die FDP gebremst wird, mit einem weinenden, weil man sich fragt, wie sich die Grünen bei der inneren Sicherheit gegenüber der FDP künftig erfolgreich profilieren können. HASSO SULIAK, Berlin
Schlechter Politikstil
■ betr.: „Grüne bespitzeln Linksfraktion“, taz vom 16. 10. 09
Eine sehr unschöne Aktion der Grünen. Statt sich Gedanken zu machen, weshalb ehemals grüne Wähler auch zur Linken abwandern (Hartz IV, unwirksamer Atomkonsens, militante „Friedenspolitik“, usw.), wird der Gegner ausspioniert, um ihn besser diffamieren zu können. Pfui, welch schlechter Politikstil!
MICHAEL HEINEN-ANDERS, Köln
ArbeitnehmerInnen ungeschützt
■ betr.: „Rausschmiss wegen sechs Maultaschen“, taz vom 17. 10. 09
Auch so kann man ältere ArbeitnehmerInnen loswerden. Hier eine Altenpflegerin, im vorigen Jahr eine Kassiererin, in einem anderen Fall eine Sekretärin. Alle Personen älter und lange Jahre im Betrieb. Welche Alarmzeichen haben die Betroffenen übersehen? Gab es welche? Wenn die FDP und die Wirtschaftslobbyisten in der CDU mit der Lockerung des Kündigungsschutzes durchkommen, dann wird es noch ungemütlicher für Deutschlands ArbeitnehmerInnen.
MARION MANNECK, Essen