LESERINNENBRIEFE :
Druck auf Demokratische Partei
■ betr.: „Eine dritte Partei? Unfug“, taz vom 8. 10. 12
Vielen Dank für den Beitrag zur Debatte in der amerikanischen Linken, ob mensch politischen Druck über Proteststimmen ausüben oder lieber zähneknirschend für das kleinere Übel Obama das Kreuz machen sollte.
Zuerst einmal kann eine Stimme für einen Third Party Candidate Druck auf die Demokratische Partei ausüben. Das ist aus dieser Sicht keine „Dummheit der Liberalen“ und auch keine defätistische „Haltung“, sondern das Einmaleins der Interessenpolitik, business as usual. Ich wäre mir nicht so sicher, dass strategisches Wählen „garantiert nicht vorwärts“ bringe.
Zweitens gibt es natürlich schon Linke und Linksliberale, die aus einer prinzipiellen Haltung heraus nicht mehr für Obama stimmen wollen oder können. Deren stärkste Argumente gibt Konrad Ege aber leider nicht wieder, u. a.: Ausweitung des Drohnenkrieges, der die Zivilbevölkerung in Pakistan und Afghanistan terrorisiert; Guantanamo; Deportationen illegalisierter MigrantInnen in Rekordhöhe; sowie die Anmaßung, Menschen ohne Gerichtsverfahren (zumal amerikanische Staatsbürger) auf Todeslisten zu setzen. Für viele Menschen lebt es sich gerade wegen Obamas Politik schlechter und (lebens)gefährlicher als unter Bush II. Nur wenn man diese Tatsache ausblendet, kann man leichthin vermuten: „Aber besser als Mitt Romney ist das allemal.“
CHRISTOPH BUTENSCHÖN, Marburg
Zum Gähnen
■ betr.: „Gurke des Tages“,taz vom 9. 10. 12
Da freue ich mich mit rüstigen 52 Jahren darauf, im Ruhestand täglich Zeit zu haben, um die ganze taz zu lesen (und sogar noch zu sexen!). Doch so langsam frage mich, wozu (die taz, nicht der Sex). Wem biedern Sie sich an, wenn Sie 63-Jährige als „rüstig“ bezeichnen? Auch wenn es in der Gurken-Rubrik steht, zementieren Sie damit diese zum Gähnen überkommene Sicht auf Ältere und das Schubladen-Denken. Ist mir auch außerhalb der Gurken-Zeit schon einige Male mies aufgefallen. Bitte beschädigen Sie meine pro-taz-Stimmung nicht.
PETRA GROSSE-ST., Hattingen
Eine Wiederholung
■ betr.: „Steinbrück will auspacken“, taz vom 6. 10. 12
Die SPD hat mit Steinbrück wieder einen Kandidaten, der dem konservativen bürgerlichen Lager auch gefallen könnte. Das kann ihr den Wahlsieg bringen, auf lange Sicht aber wird die Partei sich wieder von ihrer eigentlichen Zielgruppe, den einfachen Menschen, und damit der Mehrheit im Land entfernen. Ich kann nur hoffen, dass eine grüne Partei nicht wieder nur die Steigbügel hält, sondern ein wirklich linkes Gewissen in einer rot-grünen Regierung wäre. Ich befürchte aber, wir werden schlicht eine Wiederholung der alten Fehler erleben.
MARKUS MEISTER, Kassel
Unter betriebswirtschaftlicher Kuratel
■ betr.: „Einzeltätertheorie? Pffft!“, taz vom 4. 10. 12
Heike Haarhoff rutscht langsam mit ihrem Finger in die Wunde: denn nicht einzelne Ärzte oder Patienten, auch nicht Gruppen von diesen bestimmen hierzulande noch, was läuft im Gesundheitswesen – es sind vielmehr die Betriebswirtschaftler! Die Orientierung am Preis statt am Menschen ist es, was hier skandalös ist. Und dass Ärzte abhängig sind – von Rechenfüchsen und Aktionären. Denn in den Großkliniken müssen die angestellten, kündbaren Chefärzte (auch die Profs an Unikliniken!) sich verpflichten, betriebswirtschaftliche Ziele einzuhalten– ist denn das an sich nicht schon ein Skandal? Alle Hauptabteilungen in Deutschland stehen unter betriebswirtschaftlicher Kuratel, alle „Zentren“, alle „zertifizierten Einheiten“, die „GEQUIK“ sorgt fürs Streamlining. Nur die freiberuflichen Ärzte und Belegärzte sind noch unabhängige Individuen. Aber die will man ja lieber gleich ganz abschaffen!
FRIEDERIKE M. PERL, Stuttgart
Das Gute liegt nah
■ betr.: „Schuld sind nicht die bösen chinesischen Produkte“, taz vom 10. 10. 12
Die Vergiftung von Kindern in Kindergärten und Schulen Ostdeutschlands durch mit Noro-Viren verseuchte Tiefkühl-Erdbeeren aus China wirft ein Schlaglicht darauf, welch prekären Situationen wir unsere Kinder in der öffentlichen Erziehung oft aussetzen. Was brauchen wir Tiefkühl-Erdbeeren, also „Flugobst“ aus China? Ist es nicht längst Bildungsinhalt von Kindergärten und Schulen, die Jugend zu Zubereitung und Verzehr saisonaler Produkte der Region zu erziehen? Wer in diesen Herbsttagen durchs Land wandert, entdeckt vielerorts, dass die leckersten Apfelsorten tonnenweise an und unter den Bäumen verkommen, ja, sogar Birnen, Zwetschgen und Mirabellen nicht mehr geerntet werden – und das beileibe nicht nur auf ausgewiesenen Streuobstwiesen. Warum also Ramsch importieren, wenn das Gute so nah liegt?
ALBRECHT THÖNE, Schwalmstadt