LESERINNENBRIEFE :
Die Summe aller Verbrechen
■ betr.: „Unerträgliche Leichtigkeit“, taz vom 30. 1. 13
Die viel beschworene Unabhängigkeit der taz lässt eigentlich erwarten, dass auch bezüglich der wahren Kriegsursachen hinter die Kulissen geschaut wird. Dazu finden wir im seit 2006 gültigen „Weißbuch Bundeswehr“ die einschlägigen Informationen. Dort heißt es: „Zur Wahrung seiner Interessen wird Deutschland auch militärische Mittel einsetzen.“ Es geht also nicht mehr um Verteidigung, sondern um die nationalen Interessen. Diese sind im Weißbuch definiert: „Sicherung des Wohlstands durch freien und ungehinderten Welthandel. Hierbei gilt es wegen der Export- und Rohstoffabhängigkeit Deutschlands, sich besonders den Regionen, in denen kritische Rohstoffe und Energieträger gefördert werden, zuzuwenden.“ So ist das also: Die Bundeswehr ist von einer Verteidigungsarmee in eine „Armee im weltweiten Einsatz“ zur Sicherung der Rohstoff- und Energieversorgung sowie der Handelswege umgewandelt worden. Wie können Sie angesichts dieser ganz offiziellen militärischen Ziele in den Chor derer einstimmen, die uns einreden wollen, es gebe „humanitäre Interventionsgründe“? Wollen Sie im Ernst mehr deutschen Einsatz anmahnen? Ein „sauberer“ oder auch nur ein „anständig begründeter“ Krieg ist nicht denkbar: Jeder Krieg ist die Summe aller Verbrechen. WINFRIED EISENBERG, Herford
Frage nach den Ursachen fehlte
■ betr.: „In letzter Minute Stress mit der Anti-Stress-Erklärung“,taz vom 30. 1. 13
Die unterschiedlichen Haltungen wurden sehr schön deutlich auf der Tagung in Berlin. Frau von der Leyen zeigte sich wie immer aufgeräumt und optimistisch, sprach aber ständig von der Bedeutung der Resilienz und wenig von den Arbeitsverhältnissen und Belastungen. Herr Hundt reduzierte gleich das ganze Thema auf die notwendige Enttabuisierung psychischer Beeinträchtigungen und Erkrankungen. Mit anderen Worten: erschöpfte Arbeitnehmer sollen sich durchaus outen dürfen. Aber als was? Als „Weicheier“ oder Versager?
Eine Frage wurde in Berlin völlig ausgeklammert, auch von der Gewerkschaft. Die Frage nach den Ursachen. Ist es überhaupt vorstellbar, dass in einem Wirtschaftssystem, welches nur über dauerhaftes Wachstum funktioniert, der Druck auf die Arbeitnehmer/innen nicht immer weiter zunimmt? Ein Betriebsrat berichtete von dem gut gefüllten Medizinschrank in seinem Unternehmen als Beitrag zur Erhaltung der Arbeitsfähigkeit. Tabletten auf Kosten des Unternehmens. Natürlich auch ein Ansatz. MANFRED NEDLER,
arbeitspsychologischer Unternehmensberater, Dortmund
Planmäßig eingesetzte Gewalt
■ betr.: „UNO fordert besseren Schutz von Frauen“, taz vom 30. 1. 13
„Mindestens 25 Frauen auf dem Tahrirplatz in Kairo (sind) sexuell belästigt worden“ beklagt die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Navi Pillay. In Wirklichkeit handelt es sich nicht um gehäufte Fälle von Kriminalität, wie das Statement vermuten lässt, sondern um planmäßig eingesetzte schwerste Gewalt. Anhänger der Muslimbrüder versuchen gezielt, Frauen davon abzuschrecken, öffentlich ihre Stimme zu erheben. Ich selbst habe in Kairo für eine Frauenrechtsorganisation gearbeitet. Was die Menschenrechtsaktivisten vor Ort berichten, klingt völlig anders als die diplomatisch weichgespülte Kritik der Vereinten Nationen: Gruppen von Muslimbrüdern haben gezielt Frauen umringt, sie erniedrigt, zum Teil schwer verletzt und versucht sie völlig auszuziehen und zu vergewaltigen. In mindestens einem Fall ist ein Opfer einer solchen Gruppenvergewaltigung nur knapp dem Tod entronnen. Die Polizei schritt in keinem der Fälle ein – sie vollstreckt längst den Machtwillen von Präsident Mursi und seinen Muslimbrüdern. MAX KLINGBERG, Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM), Gelnhausen
Männer müssen sich emanzipieren
■ betr.: „Wir sind Brüderle“ u. a., taz vom 30. 1. 13
Schade wenn in der Sexismus-Debatte nur der Schaden gegenüber Frauen thematisiert wird, werden damit doch auch Männer erniedrigt. Nach meinem Erleben gehen 90 Prozent der Männer respektvoll mit Frauen um, während Wenige (allerdings zu viele) Anzüglichkeiten gegenüber jungen Frauen verwenden, um ihren Status zu demonstrieren, als ob sie über den gesellschaftlichen Regeln stünden. Warum wehrt sich die respektvolle Mehrheit der Männer nicht mit den Frauen gegen chauvinistische Machtspielchen? Nehmen sie die Erniedrigung an? Vielleicht müssen sich auch die Männer emanzipieren. NAME und Anschrift sind der Red. bekannt
Grundsätzlich töfte
■ betr.: „Die kleine Wortkunde: möglicherweise“, taz vom 30. 1. 13
lieber erik wenk, grundsätzlich finde ich das ja töfte, wenn publizisten für etwas sprachliche eruditio unter ihren leserInnen sorgen. aber konjunktiv war das mit den tuwörtern. läsest du zum beispiel diesen daniel-kehlmann-schinken wieheißternoch, günge dir selbiger nach kürzester zeit derart damit auf den sack, dass du fürderhin vom konjunktiv geheilt wärest. wobei der aufdensackgehkonjunktiv vom kehlmann ja ein anderer ist als der, den man nähme, wenn man zum ausdruck bringen möchtete, dass etwas möglicherweise geschähe oder geschehen sei, der also gegenstand deiner kolumne gewesen wäre, wenn du dich nicht stattdessen an partikeln abgearbeitet hättest. JÖRN NETTINGSMEIER, Essen