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Archiv-Artikel

LESERINNENBRIEFE

So kompliziert ist die Sache nicht

■ betr.: „Judenboykott – der 1. April 1933“, taz vom 30. 3. 13

So kompliziert ist die Sache mit dem Boykott gar nicht, wie uns Brumlik glauben machen will. Der damalige Aufruf: „Kauft nicht bei Juden!“ traf Unschuldige, er war infam, verbrecherisch, ungerecht, unentschuldbar. Der heutige Aufruf zum Boykott trifft Schuldige, er ist gerecht, erlaubt, geboten, notwendig.

Die Besetzung des Westjordanlandes – dazu gehört nach Völkerrecht alles, was außerhalb der Grenze von 1967 liegt – ist völkerrechtswidrig. Die Siedlungen sind völkerrechtswidrig; das Land, auf dem sie stehen, gilt als gestohlen, die dort produzierten Waren ebenfalls. Israel deklariert Waren aus den Siedlungen fälschlicherweise als in Israel produziert und führt sie so in die EU ein, entgegen den entsprechenden Bestimmungen. Wenn deutsche Regierungen nicht dafür sorgen, dass Israel sich an die gesetzlichen Vorgaben hält, muss ich als Verbraucher die Konsequenzen ziehen: Ich kaufe nur Waren, die sicher aus Israel stammen; wenn ich dessen nicht sicher sein kann, kaufe ich sie eben nicht. Das in der NS-Zeit verübte Unrecht an Juden durch Boykottaufrufe macht heutige israelische Regierungen nicht „unboykottierbar“, „die Voraussetzungen sind“ nicht „ein für allemal zerstört“. Wenn Israel was gegen Boykott hat, braucht es sich nur ans Völkerrecht zu halten und bei Einfuhren in die EU die geltenden Regeln zu beachten. GEORG FRITZEN, Düren

Boykottieren oder wegsehen?

■ betr.: „Sie prügelten sie zu Tode“, taz vom 30. 3. 13

Der aktuelle Boykott von Waren aus den israelisch besetzten Gebieten ist keineswegs „unscharf“, wie Micha Brumlik behauptet. Selbstverständlich sind die 1967 besetzten Gebiete gemeint. Der Holocaust legitimierte die Staatsgründung Israels. Das Vorgehen dabei war alles andere als ruhmvoll. Es führte zum Flüchtlingselend der Palästinenser. Allein das sollte reichen, um sich vordringlich für deren Menschenrechte einzusetzen, statt sie zu verwehren. Und was die Legitimität des Boykotts angeht: Bei den Nazis richtete er sich auf ein abstraktes Feindbild. Beim aktuellen Boykott geht es um eine konkrete, seit Jahrzehnten bestehende, erniedrigende Politik gegen die Palästinenser. Ich traue Deutschland inzwischen zu, den Unterschied zwischen legitimem und unberechtigtem Boykott zu verstehen. Micha Brumlik unterlässt diese Überlegung. Statt dessen verweist er auf die faschistische Erbschuld, um den aktuellen Boykott zu diskreditieren. Im Aufarbeiten der Nazizeit erkennen wir, wie fatal das Wegsehen war. Micha Brumlik ruft dazu auf, jetzt wieder weg zu sehen. STEVEN GOLDNER, Frankfurt am Main

Kein Abwägen, keine Grundsätze

■ betr.: „Sie prügelten sie zu Tode“, taz vom 30. 3. 13

Zwei Drittel der Seite nutzen Sie, um in kenntnisreicher Weise Details der Judenverfolgung in Deutschland darzustellen und in Erinnerung zu rufen. Das kann gar nicht oft genug in Erinnerung gerufen werden. Es sei uns eine ewige Mahnung. An den Grundüberzeugungen von Gleichheit und Gerechtigkeit unbeirrbar festzuhalten, sich zivilgesellschaftlich einzubringen und mitzuwirken. Die Schlüsse, die Sie dann im letzten Teil Ihres Artikels ziehen, sind allerdings enttäuschend und dürftig. Nur Vergangenheit, Tunnelblick und Rechtfertigungsrhetorik. Kein Abwägen, keine Grundsätze, nicht ein Wort zur Zukunft und keine Vision. Gerade wir Europäer sind doch aufgerufen, nach der Katastrophe des deutschen Nationalsozialismus sehr genau darauf zu achten, dass Fanatismus und Intoleranz, Verblendung, Feindbilder, menschliche Verachtung und mangelnde Gerechtigkeit nicht zu immer neuen Katastrophen führen, in welchen Ecken der Welt auch immer.

Die erstaunliche Einstellung, die viele Menschen in Israel gegenüber Andersgläubigen und anderen Volksgruppen haben, ist beängstigend und macht den heutigen Staat Israel zu einer ernsthaften Gefahr. Das zu thematisieren und Wege zu mehr Gerechtigkeit und Toleranz auch in dieser Ecke der Welt zu finden, weg von der schlichten Ermordung der „Feinde“, wäre unser aller Anstrengung wert. Menschen wie Sie, mit Ihrer Kenntnis und Ihrer Lebenserfahrung, wären da gefragt und dringend von Nöten. ROLF WALTHER, Ohlstadt

Arabisches Erdöl boykottieren?

■ betr.: „Sie prügelten sie zu Tode“, taz vom 30. 3. 13

Der Autor befasst sich mit dem Aufruf verschiedener Organisationen, Waren aus den von Israel besetzten Gebieten zu boykottieren, und mit dem Judenboykott der Nazis 1933. Produkte aus Israel könnte man heute im Prinzip leicht boykottieren. Denn kaum einer wird wirklich auf sie angewiesen sein. Aber wenn man für so einen Boykott ist, hätte man auf jeden Fall etwas gegen das scheinbar bewiesene Unrecht der Israelis an den Palästinensern getan. Leider werden in vielen Ländern der Erde Untaten begangen, und wir lieben die Produkte solcher Staaten oder können ohne sie nicht auskommen. Man denke nur an China: Tibet besetzt, überall werden die Menschenrechte mit Füßen getreten. Hat je jemand ernsthaft über den Boykott chinesischer Waren nachgedacht? Was wäre eigentlich, wenn einmal das Ausland zum Boykott deutscher Waren aufrufen würde? Weil zum Beispiel Pfarrer, die sich gegen Neonazis engagieren, gerichtlich verfolgt und dagegen Verfahren gegen Altnazis eingestellt werden. Schließlich sollten wir Deutschen uns gut überlegen, wenn wir zum Boykott ausgerechnet israelischer Produkte aufrufen, denn auch die arabischen Länder sind an der jetzigen Situation der Palästinenser nicht unschuldig. Ruft jemand zum Boykott arabischen Erdöls auf? ULF WEBER, Tanna