LESERINNENBRIEFE :
Selbstgefälliger Minister Hahn
■ betr.: „Die ‚Jail Crew‘ der Neonazis“, taz vom 11. 4. 13
Heute Morgen im Deutschlandfunk: Auf die Frage der Moderatorin, warum seine Regierung und die Behörden letztes Jahr nicht tätig wurden, als in der Biker-Zeitschrift die Gründung der „Jail Crew“ angekündigt wurde, erklärte der hessische Justizminister Hahn, niemand habe damals dieses Nischenblatt gelesen. Auf den Hinweis, dass doch die Linkspartei bereits letztes Jahr eine Anfrage zu der Thematik einbrachte, erwiderte er genervt, dass auch die Linken keinerlei konkrete Verdachtsmomente gehabt hätten.
Wer hat denn die Möglichkeit, über den Verfassungsschutz die Vorgänge in den entsprechenden Szenen zu überwachen? Da sitzen die Schlapphüte in ihren Büros und versuchen der Linkspartei staatsfeindliche Umtriebe zu unterstellen. Gleichzeitig weist die Linken-Abgeordnete den sächsischen Innenminister auf das Bestehen der „Jail Crew“ hin. Ebenso war es die hessische Linkspartei, die letztes Jahr nach dem im Hünfeld einsitzenden Neonazi Bernd T. gefragt hat. Darauf angesprochen gibt Hahn die unglaubliche Antwort, dass das Innenministerium nicht weiter auf die Anfrage eingegangen sei, weil Bernd T. nicht wegen explizit neonazistischer Straftaten verurteilt wurde. Ich hoffe sehr, dass Ihre beiden taz-Autoren W. Schmidt und A. Speit an der Sache dranbleiben, um diesem selbstgefälligen Minister ein bisschen zuzusetzen. JÖRG RICHTER, Kaiserslautern
Rein in den Bildungs-„Markt“.
■ betr.: „Eltern sollen in Schulkonferenzen gehen“, taz vom 11. 4. 13
Da seid ihr den Vodafone-Leuten aber schön auf den Leim gegangen. Die von euch ausführlich zitierten Erkenntnisse der Vodafone-Stiftung enthalten entweder Banales („bildungsfernen Eltern fällt es schwer, ihre Kinder beim Lernen zu unterstützen“) oder ganz olle Kamellen (nicht nur in der von euch so gepriesenen bayerischen Schule „nehmen Eltern an den Schulkonferenzen teil“, sondern auch in Berlin ist das vom Schulgesetz längst vorgeschrieben). Und die Elternbesuche, von denen sich die „Experten“ von der Vodafone-Stiftung „eine Verbesserung der Bildungschancen für benachteiligte Kinder“ versprechen, machen unzählige LehrerInnen seit Jahrzehnten in ihrer Freizeit. Worum geht es also in Wirklichkeit?
Wie in der taz selbst vor Kurzem zu lesen war, haben Unternehmens-Stiftungen üblicherweise nichts mit Wohltätigkeit zu tun, sondern dienen entweder der Steuervermeidung oder als Thinktank zur Vergrößerung des gesellschaftlichen Einflusses ihrer Auftraggeber. Vodafone, Bertelsmann und Co. wollen endlich auch in Deutschland rein in den Bildungs-„Markt“, um ihn für ihre Profitinteressen auszupressen. Dazu brauchen sie natürlich auch mediale Unterstützung, und eben die habt ihr geliefert. MARGIT MAUERSBERGER, Berlin
Unerträgliche Überschrift
■ betr.: „Mehr Jobs für Menschen mit Macke“, taz vom 13./14. 4. 13
Diese Überschrift finde ich unerträglich und diskriminierend, auch die Bezeichnung „psychisch Angeknackste“. Wenn es von einer Veranstaltung der Friedrich-Ebert-Stiftung nichts anders zu berichten gibt, als dass Menschen! mit Angststörungen nicht an der Supermarktkasse sitzen und Menschen! mit Zwangsstörungen am besten in der Buchhaltung arbeiten sollten, ist das banal. SUSANNE RINGEL, Berlin
Tourists against Gentrification
■ betr.: „Genosse für urbane Kreativität“, taz vom 13./14. 4. 13
Auf Seite 13 prangt ein Foto, das mich beim Demonstrieren gegen Verdrängung und steigende Mieten in Kreuzberg zeigt. Die Bildunterschrift sagt, dass ich darüber hinaus auch gegen Touristen demonstriere. Das ist falsch – was eigentlich nicht zu übersehen ist, denn auf meinen Schildern steht unter anderem: „tourists and hipsters against gentrification“. Als Berlin im letzten Sommer aufgeregt über den Einfluss von Touristen und Neuberlinern auf die Mieten in der Stadt diskutierte, hatte die Mieterinitiative Kotti & Co die gute Idee, Touristen einzuladen, sich dem Protest anzuschließen, anstatt sie zu Sündenböcken für die Gentrifizierung zu machen. Das fand ich gut, denn nicht Touristen, Hipster oder zugezogene Südeuropäer sind für steigende Mieten verantwortlich, sondern Vermieter, der Rückzug des Senats aus der Mietenpolitik und dem sozialen Wohnungsbau und die Tatsache, dass anlagesuchendes Kapital den Wohnungsmarkt entdeckt hat, wodurch die Immobilienpreise steigen.
Ich wohne übrigens in einem touristischen Hotspot Berlins und kann euch sagen, dass Touristen auch nicht dämlicher sind als Berliner, die meisten kennen das Problem hoher Mieten selbst sehr gut, und außerdem sind wir ja alle fast überall Touristen, wo wir nicht gerade wohnen. JAN OLE ARPS, Berlin