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Archiv-Artikel

LESERINNENBRIEFE

Bigotterie, Gewalt und Anmaßung

■ betr.: „Übergriffe an der Eliteschule“ taz vom 29. 1. 10

mit jedem dem schweigen und der vertuschung entrissenen fall von vielfachem sexuellem missbrauch durch kirchenmänner, egal in welchem land, müsste endlich dem letzten dämmern: der verschwiemelte, verschwitzte fummelpfaffe ist nicht die ausnahme, sondern systematische regel und produkt einer zum himmel stinkenden jahrtausendealten repression und männerbündelei. wer immer als katholik irgendwo auf der welt aufgewachsen ist, prüfe sein gedächtnis: er hat mit an sicherheit grenzender wahrscheinlichkeit von etwas gehört oder etwas selber erlebt. irische bischöfe, italienische mönche, österreichische theologen – immer wieder derselbe abgrund von bigotterie, gewalt, verlogenheit und anmaßung. der ganz normale wahnsinn des christentums. NIKO FEISTLE, Hamburg

Gleiche Bildung für alle

■ betr.: Pro und contra „Homeschooling“, taz vom 30./31. 1. 10

In beiden Beiträgen fehlt mir das wichtigste Argument für die allgemeine Schulpflicht: allen Kindern gleichen Zugang zu gleicher Bildung zu ermöglichen. Homeschooling als eine bestimmte Art der Bildung schließt aus. Noch mag es in Deutschland um „religiöse Fundis“ gehen, doch durch die Selbstbeschulung ermöglichen Eltern ihren Kindern, das allgemeine Schulsystem zu meiden. Diese Entscheidung können aber nicht alle Eltern ihren Kindern bieten. Eltern müssen es sich leisten können, ihre Kinder nach eigenen Vorstellungen auszubilden. Ungerechtigkeiten gibt es auch im aktuellen System. Es gibt teure Privatschulen, es gibt teure Nachhilfe, es gibt Schulen in „guten Wohngebieten“, es gibt Schulen in Problemkiezen. Es gibt Schulen mit aktiven und motivierten Eltern und Schulen, an denen niemand ein Interesse hat. Die allgemeine Schulpflicht zwingt aber alle Eltern und Kinder, sich mit diesem System zu arrangieren und sich einzubringen. Das ist anstrengend und teilweise sehr unbefriedigend und am Ende auch nicht völlig gerecht. Es zwingt aber auch den Staat, sich mit seinem Bildungsauftrag grundsätzlich an alle Kinder zu richten. CHRISTINA HERRIG, Leipzig

Feige sind nur die anderen

■ betr.: „Heuchlerische Hamas“, taz vom 30./31. 1. 10

Während Sie Israel unterstellen, nur schützen zu wollen, und von den Soldaten wie von den legalen Ausführenden sprechen, sind es auf der palästinensischen Seite „Islamisten“, die heucheln, sich verstecken und feige sind. Bezüglich Israel zitieren Sie seine Selbstdarstellung für die Weltöffentlichkeit, während Sie zur Hamas auf Äußerungen verweisen (israelitische Kinder seien für sie künftige Soldaten und man wolle maximalen Schmerz zufügen), die als Äußerungen von Hamasseite irgendwann und irgendwo verbürgt sein mögen, die aber bestimmt nicht zur Selbstdarstellung der Hamasposition in diesem Konflikt gehören. Israel will schützen, und wo bleibt die Frage, warum die Hamas auf Israel feuert? Die Hamas ist der – in Gaza mehrheitlich gewählte – fanatische und militante Arm eines seit Jahrzehnten gegen das Völkerrecht (UN-Resolutionen) unterworfenen und in seinem Gaza-Teil belagerten und vollständig geknebelten Volkes. Wie hilflos ist es von den UN, überhaupt eine kriegstechnische Untersuchung auf Kriegsunrecht zu veranlassen – angesichts des größeren völkerrechtlichen Unrechts und der Nichtbeachtung ihrer Resolutionen. HELLMUT VOGEL, Kiel

Kein Recht zu gedenken

■ betr.: „Ritualisiertes Gedenken an Auschwitz“, taz vom 28. 1. 10

Es ist unbestritten wichtig, dass sich die Deutschen nach wie vor mit diesem Thema auseinandersetzen sollten, ebenso wichtig sollte es aber auch mittlerweile für die Israelis und vor allem deren Regierungsverteter sein, über den seit 60 Jahren andauernden Genozid an den Palästinensern nicht nur nachzudenken, sondern ihn endlich zu beenden! Wenn Staatsprasidents Schimon Peres’ Familie unter dem Holocaust gelitten hat, warum fügt er maßgeblich einem ganzen unschuldigen Volk ähnliches Leid zu? Peres, „Vater des Siedlungsbaus“, Vater „von Israels Atomwaffen, ein Mann, der den Gazakrieg und alle anderen Untaten das Staates Israel seit Jahrzehnten mitverantwortet“ (Evelin Hecht-Galinski). Dieser Mann hat in meinen Augen das Recht verwirkt, eine Gedenkrede im Bundestag zu halten, da er den Holocaust und seine Opfer ohnehin nur instrumentalisiert, um wieder neue Waffen und dergleichen für Israel zu ordern.

MONIKA KLAIBER, Weilheim

Noch mehr tote Soldaten

■ betr.: „Heuchlerische Hamas“, taz vom 30./31. 1. 10

Nach acht Jahren völkerrechtlich bedenklichem Krieg in Afghanistan sei die Frage erlaubt: Was hat dieser Krieg bisher gebracht? Außer in der Hauptstadt hat sich die Sicherheitslage im Land stetig verschlechtert, die von den ausländischen Truppen gestützte Karsai-Regierung hat weniger Zustimmung und weniger Macht über das Land als jemals zuvor, der Opiumanbau ist von fast null im Jahr 2001 auf internationale Rekordwerte angestiegen, mit den Rekordgewinnen aus diesem Rauschgiftanbau finanzieren Taliban wie Warlords ihre Waffengeschäfte. Angesichts dieser ernüchternden Bilanz führt der von Herrn Westerwelle propagierte (insgesamt siebte) „Strategiewechsel“ hin zu einer Ausweitung der Truppen nur zu noch mehr toten Zivilisten und noch mehr toten und traumatisierten deutschen Soldaten. KURT LENNARTZ, Aachen