LESERINNENBRIEFE :
Da setzen wir uns ins Unrecht
■ betr.: „Öldurst und Klimawandel“, taz vom 16. 5. 13
Erstmals haben die Entwicklungsländer einen höheren Ölverbrauch als die Industriestaaten. Es ist eine Entwicklung im Gange, die uns schwindelig macht. Schließlich können nicht alle auf der Welt so leben wie die Bewohner der heutigen Industriestaaten. „Obwohl sie dazu ein Recht hätten“, schließt der Kommentar. Ich fürchte, nicht einmal wir haben dazu ein Recht, so zu leben, wie wir heute leben, eben weil nicht alle es uns gleichtun können, ohne massive Probleme zu provozieren. Da setzen wir uns ins Unrecht. Schon lange.
ULRICH VARWIG, Duisburg
Genau hingeschaut
■ betr.: „Unter Armen in Südafrika“, taz vom 18. 5. 13
Edith Kresta hat sich also ebenso wie die beschriebene Gymnasiallehrerin und Attac-Mitglied Vera in der Mittel- und Oberschicht verortet. Den begehrten „Genuss“ auch der „sozialen Accessoires“ müssen die mit diesem „Fair-Trade-Tourismus“ Beglückten allerdings mit ihrem Blut bezahlen. Wie schafft es die, nennen wir sie „Edith“, dass ihr die „beste Küche in der Sternehostellerie“ immer noch schmeckt? Genau hingeschaut, führt nicht nur die Gier des großen Kapitals dazu, dass 20 Millionen jährlich den Hungertod sterben (und viele weitere sterben an Krankheiten, Arbeitsunfällen, Bränden …). Es ist auch die Selbstverständlichkeit des „Genusses ohne Reue“ der mittleren und oberen Schichten, die finanziert sein will.
NORBERT HERMANN, Bochum
Gewagte These
■ betr.: „Mali und die Folgen“, taz vom 16. 5. 13
Dominic Johnsons These, dass ohne die französische Militärintervention in Mali die Lage in den Sahara-Staaten heute stabiler wäre, halte ich für etwas gewagt. Und nicht alle Islamisten, die in Nigeria, dem Tschad oder anderswo zurzeit aktiv sind, kommen auf einmal aus Mali. Als die französischen Truppen Anfang des Jahres eingriffen, waren die Kräfte aus dem Norden Malis nach allem, was darüber bekannt ist, auf dem Vormarsch nach Bamako. Ein Nichteingreifen hätte unweigerlich zu einem islamistisch beherrschten Mali geführt und der Staat in seiner jetzigen Form wäre vermutlich auseinandergebrochen. Es wäre weiterhin das erste Mal gewesen, dass Islamisten durch eine Invasion von außen einen Staat in Afrika komplett übernommen hätten. Und die Schwäche der staatlichen Strukturen in Mali hätten dafür die idealen Voraussetzungen abgegeben. Ich bin davon überzeugt, wir hätten eine noch gefährlicherer Krisensituation als jetzt. Denn wenn es gelungen wäre, den Islamismus auch dort zu installieren, wo er in der Bevölkerung praktisch gar keinen Nährboden hat (wie in Mali), hätte das eine enorme Stärkung für diese Kräfte in anderen Ländern Nordafrikas bedeutet – ein strategischer Sieg mit ungemeiner Symbolkraft. HARTMUT GRAF, Hamburg
Überschüsse abschöpfen
■ betr.: „Europa mit links“ u. a., taz vom 16. 5. 13
Im letzten Quartal nahm die Wirtschaftsleistung in Deutschland um magere 0,1 Prozent zu, in der gesamten Eurozone sank sie gar um 0,2 Prozent. Die Arbeitslosenzahlen sind zum Teil erschreckend. Vielfach wird jetzt eingesehen, Sparen allein würgt die Wirtschaft ab. Doch wenn nun ein paar von den üblichen Wachstumsimpulsen dazukommen, ist das wie Bremsen und Gasgeben gleichzeitig. Auch die Geldpolitik der EZB kann wenig ausrichten, es sei denn, man verteilt das zusätzliche Geld an die Ärmsten in Ost- und Südeuropa, etwa in Form eines bedingungslosen Grundeinkommens. Am besten wäre es aber, erst einmal die gängigen Denkschablonen hinter sich zu lassen. Es ist anscheinend noch kein makroökonomisches Modell bekannt, das die Reichen eines Landes als gesondertes Aggregat ausweist. An einem solchen Modell kann man ablesen: Die Sparpolitik ist die schlechteste Lösung. Die Wachstumsimpulse sind die zweitbeste Lösung, weil sie die Wirtschaft zwar durch Belebung der Nachfrage stützen, aber die Staatsverschuldung erhöhen.
Die beste Lösung ist eine soziale Politik, bei der die Kreditaufnahme des Staates durch die Abschöpfung der Überschüsse der Reichen ersetzt wird. Denn diese Überschüsse stellen ein Leck im Geldkreislauf der Realwirtschaft dar, weil sie weder in den Konsum noch in Investitionen fließen. Konsumieren können die Reichen gar nicht so viel, wie sie einnehmen, und Investitionen sind nicht mehr rentabel, wenn die vorhandenen Kapazitäten ausreichen oder sogar nur teilweise ausgelastet sind. Besonders auf die staatliche Nachfragebelebung angewiesen sind die Staaten mit Importüberschuss, da ein Teil ihrer Nachfrage durch den Import gedeckt, also von einem andern Land abgesogen wird. Es ist auch ein Unding, die exportschwachen Länder dem Konkurrenzdruck der starken Länder schutzlos auszuliefern.
Die überalterte Ausrichtung der Politik führt zu einer Art Krieg, den die Oberschichten der Länder gegen andere Länder und zugleich gegen den Großteil der eigenen Bevölkerung führen. Sind nämlich die Ausgaben für die Löhne und für die Arbeitsplätze niedrig, sind die Erzeugnisse umso konkurrenzfähiger auf dem Weltmarkt. Und dort tobt ein brutaler Kampf um Marktanteile. Das führt dann zu Katastrophen wie dem Einsturz des Gebäudes in Bangladesch. Auch die Hungernden weltweit sind Opfer dieses Krieges. Die Versuche, in den armen Ländern Gewerkschaften zu gründen, werden meist behindert oder sogar brutal unterdrückt. Dieser Kriegszustand, bei dem nebenbei noch die Umwelt zerstört wird, kann nur durch eine bessere Politik beendet werden. HANS OETTE, Neuenstadt