LESERINNENBRIEFE :
Dynamisches Völkerrecht
■ betr.: „Warnschuss für die EZB aus Karlsruhe“, taz vom 13. 6. 13
Ein Gedanke, der in der bisherigen Debatte kaum eine Rolle gespielt hat: Die europäischen Verträge sind zwischenstaatliches Völkerrecht, auf dem sich die Verfassung eines werdenden Staatsgebildes aufbaut. Als Völkerrecht unterliegen sie den Interpretationsregeln der Wiener Vertragsrechtskonvention. Nach dieser ist „jede spätere Übereinkunft zwischen Vertragsparteien über die Auslegung des Vertrages oder die Anwendung seiner Bestimmungen“ zu berücksichtigen. Dadurch wird eine dynamische Entwicklung des Völkerrechts ermöglicht. Wenn sich die EU-Mitgliedstaaten also mit Zustimmung ihrer Parlamente auf eine bestimmte Auslegung einigen, kann diese die Grenzen des Textes erweitern. Dies ist bereits bei anderen internationalen Integrationsschritten geschehen, wie etwa der Neudefinition des Auftrags der Nato von Verteidigung zu aktiver Friedensstiftung. GERD WINTER, Universität Bremen
Folgenloses Petitionieren
■ betr.: „Zahl auf gut 15.700 gestiegen“, taz vom 13. 6. 13
Nur eine „einzige, konkret genannte Petition mit anschließender Gesetzesänderung“ folgte im Jahr 2012 auf 15.724 verschiedene Petitionen, schreibt die taz. Das ist ein äußerst mageres Ergebnis! Ich selbst gehöre zu den offenbar 30 Prozent Frauen, die Petitionen einreichten. Eine zum Thema Bankenkrise („Der deutsche Bundestag möge beschließen, das Informationsfreiheitsgesetz nicht einzuschränken. Außerdem möge er beschließen bei der Bewältigung der Bankenkrise für Transparenz und Gerechtigkeit zu sorgen“). Sie wurde nicht zur öffentlichen Mitzeichnung zugelassen. Ebenso wie meine Petition für die Finanzierung eines „Modellprojekts Ökologische Sanierung Bundeswasserstraße Landwehrkanal“. Die Antwort auf meine Petition für ein Bundesbaumschutzgesetz („Klimaschutz durch Baumschutz“) ließ geschlagene dreieinhalb Jahre (!) auf sich warten. Sie ist zudem ziemlich unverständlich formuliert, lässt sich aber in dem Satz „Klimaschutz durch Baumschutz? Nein danke!“ treffend zusammenfassen.
Selbst die sehr erfolgreiche Petition für ein bedingungsloses Grundeinkommen (mit weit über 50.000 UnterzeichnerInnen) hatte ja trotz einer Anhörung im Anschluss keinerlei nachhaltige politische Folgen. Deshalb brauchen wir endlich Volksentscheide auf Bundesebene, damit wir BürgerInnen wirklich die Chance haben, „von unten“ konkret etwas zu bewirken. ANUSCHKA GUTTZEIT, Berlin
Falsche und echte Revolutionen
■ betr.: „Platzkarten der Revolution“, taz vom 7. 6. 13
Was ist Ihnen da eigentlich eingefallen, den erbärmlichen Putschversuch des späteren Massenverbrechers Hitler am 9. 11. 1923 gegen den Rechtsstaat einzureihen in die Volksaufstände in China 1989, in Arabien seit 2011 und der Türkei seit Mai 2013 – von friedlichen Bürgern für Demokratie und Gerechtigkeit, mutig gegen ihre Repressionsapparate? Als ob nicht auch wir in Deutschland wirkliche Revolutionen aufzuweisen hätten, die jener Aufstände würdig wären, davon zwei ebenfalls am 9. 11., nämlich den von 1918 und den von 1989, nicht zu vergessen die Erhebung vom 17. 6. 1953, und ganz aktuell 2011 die Demonstrationen gegen Stuttgart 21, deren Teilnehmer sich sogar auch auf Tunesien beriefen. Merkwürdig ist auch, dass Sie die Opferzahl des Arabischen Frühlings mit „152“ angeben. Wenn ich mich recht erinnere, waren es allein bei den Demonstrationen auf dem Tahrir-Platz über 800. Und wieso soll die Anreise dorthin per Kamelreiten stattfinden? So sind doch damals die Helfershelfer des Unterdrückerregimes dorthin gelangt. MATTHIAS BROKMEIER, Berlin
Deutschland sabotiert Europa
■ betr.: „Bornierte deutsche Brille“, taz vom 12. 6. 2013
Ein großes Lob für den Beitrag „Bornierte deutsche Brille“ von Eric Bonse. Er nimmt einen Perspektivwechsel vor und bringt damit sehr klar zum Ausdruck, wie es uns Deutschen in der Lage unserer europäischen Nachbarn jetzt wohl so gehen würde. Seit Jahren sabotiert Deutschland, allein daran interessiert den vermeintlich eigenen Wohlstand zu sichern, die europäische Idee und den Zusammenhalt in Europa. Als wir uns für die Europäische Gemeinschaft entschieden, haben wir uns eindeutig für die Gemeinschaft entschieden. Und Gemeinschaft bedeutet Solidarität und Zusammenhalt. Nun stellt sich die Frage: Können wir – nur des Geldes wegen – alle bisherigen Überzeugungen, Ideale und Versprechen an die Zukunft so einfach über Bord werfen? Können wir zulassen, das in Europa Kinder hungern und Kranke nicht mehr versorgt werden, nur um damit (vielleicht! kurzfristig?) unseren eigenen, kleinen Status quo zu erhalten? MICHAELA DIEROLF, Wimsheim
Als Sohn eines Beamten …
■ betr.: „Der rote Ralph“, taz vom 13. 6. 13
Ich lese immer gerne Ihre Berichte, Frau Maier. Waren Sie das nicht auch mit der leider abgesetzten Kolumne über Ihre pubertierende Tochter (köstlich!)? Sie kamen mir allerdings nie antifeministisch vor. Aber vielleicht ist der bedauernswerte Ralph T. Niemeyer wirklich ohne Mutter aufgewachsen (Zitat: „als Sohn eines Ministerialbeamten aufgewachsen“). Sollte er doch mit Vater und Mutter aufgewachsen sein, finde ich es sehr schade, dass wieder mal die Frau weggefallen / ignoriert / totgeschwiegen / halt das Übliche / wird. ANDREA MARQUARDT, Hamburg