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Archiv-Artikel

LESERINNENBRIEFE

Bollmanns Dusche ist uns wurscht

■ betr.: „Berlusconis Tröpfelduschen“, sonntaz vom 17. 4. 10

Dass italienische Duschen nicht funktionieren, dass Italiener keine Steuern zahlen und dass Italien Berlusconi gewählt hat, weiß an sich schon jeder Bild-Leser. Dass in der taz solche Statements aufgegriffen werden, um daraus den politologischen Schluss „selber schuld“ zu präsentieren, lässt uns fassungslos. Berlusconi ist nicht von Italien, sondern von einem Teil der Wähler gewählt worden. Die Lage in Italien ist gespalten, konfliktreich und angespannt. Die sozialpolitischen Folgen der Macht der Medien sind ein weitreichendes westliches Problem, die Mafia (und nicht nur die italienische) ist längst ein internationales Problem – Herrn Bollmanns Dusche ist uns hingegen wurscht. Die ständige Gleichsetzung von realen Missständen mit „Italien“ ist politologisch lächerlich und politisch ein Schlag ins Gesicht all derjenigen, die dagegen sind und arbeiten.

LEONARDO BOSCHETTI, Berlin

Das ist wirklich Käse!

■ betr.: „Was für ein absurder Demeter-Käse“, sonntaz vom 17. 4. 10

Sollen wir im Ernst biologisch-dynamische Lebensmittel im Regal stehen lassen, weil sich Steiner vor 100 Jahren rassistisch geäußert hat? Das ist doch wirklich ein Käse! Die Zahl der in Demeter-Betrieben gehaltenen Tiere ist abhängig von der angebauten Futtermenge. Dies führt zu einem geschlossenen Kreislauf, der den KundInnen ein Maximum an Transparenz – es sei nur an die Tiermehlskandale in der konventionellen Landwirtschaft erinnert – ermöglicht. Demeter-Bauern sind geprägt vom tiefen Respekt vor Lebensprozessen, natürlichen Wachstumskräften, Lebendigkeit des Bodens, ganzheitlichem Wesen von Pflanze und Tier. Das macht den Unterschied!

TOM ACKERMANN, München

Ein aufwühlendes Thema

■ betr.: „Zum Denunzieren gezwungen“, sonntaz vom 17. 4. 10

Zwangsprostitution ist ein aufwühlendes Thema, an dem sich in Deutschland zudem unterschiedlichste politische Agenden, von der Professionalisierung der Sexarbeit bis zu ihrem Verbot, mit einer besonderen Medientauglichkeit treffen. Ein Blick beispielsweise nach Belarus, ein Ursprungs-, Ziel- und Transitland für „Human Trafficking“, wie es international heißt, zeigt dagegen die Breite des Problems im wirklichen Leben: Die NGO La Strada betreut neben den Überlebenden der Zwangsprostitution ganz unterschiedliche Opfer von Menschenhandel: vom zwölfjährigen Mädchen aus der Tschernobyl-Region, das während der Ferienfreizeit in der italienischen Gastfamilie missbraucht wurde, über die über 60-jährige Zahnärztin, die in Südafrika ihres Passes beraubt und zu praktisch unbezahlter Arbeit (als Zahnärztin!) gezwungen wurde, bis hin zu den vielen belarussischen Männern, die als Bauarbeiter in der russischen Föderation ebenfalls zur Zwangsarbeit gepresst werden.Wenn wir von diesen Beispielen aus zurückschauen nach Deutschland, dann wird klar, dass wir einen Bogen ziehen müssen von der Zwangsprostitution über sonstige illegale ArbeitsmigrantInnen bis hin zu erpressten und ausgebeuteten Erntehelfern. MONIKA ROSENBAUM, Münster

Imperialismus pur

■ betr.: „Das Verdrängte kehrt zurück“, taz vom 17. 4. 10

Glaubt man der Autorin, würden wir uns als „europäische Mittelmacht“ ohne Krieg aus der Politik verabschieden, anders gesagt, die wirtschaftlichen Interessen erfordern die Bereitschaft zum Bundeswehreinsatz weltweit. Imperialismus pur. Kommt hinzu, dass die Autorin offensichtlich nur zwischen schwarz und weiß unterscheiden kann: Krieg oder Radikalpazifismus. Von ziviler Konfliktbearbeitung hat sie wohl noch nie etwas gehört. Der Gipfel: Ihre These „Als Exportweltmeister können wir uns […] nicht mehr im toten Winkel der Weltpolitik verstecken.“ Hat Frau Petersen noch nicht gemerkt, dass wir nicht mehr Exportweltmeister sind? Das ist seit letztem Jahr China. Und mensch stelle sich vor: Die verstecken sich nicht, führen nicht in Afghanistan Krieg und haben trotzdem Deutschland in dieser Rolle abgelöst. JÜRGEN NIETH, Mainz

Überwundene Machtpolitik

■ betr.: „Das Verdrängte kehrt zurück“, taz vom 17. 4. 10

An Petersens selbstreferenzieller, national beschränkter Argumentation ist nur das Wort „Mittel-“ statt Großmacht neu, und wie eh und je lässt sich so jeder Krieg „begründen“. Mit „unvermeidlich“ wird zudem die Verantwortung für das eigene Handeln geleugnet. Dass diese Art von Machtpolitik in Deutschland überwunden (nicht verdrängt) und nicht mehrheitsfähig ist, daran wird hoffentlich auch die Propaganda der Befürworter nichts ändern.

EIKE BOLLAND, Kassel