piwik no script img

Archiv-Artikel

LESERINNENBRIEFE

Es tut nicht weh

■ betr.: „Infantile Sprachmagie“, taz vom 5. 10. 13

Es gibt eine Art Erfolgsgeschichte des Bekämpfens und Zurückdrängens von Gewohnheiten, die ich überaus gut und richtig finde. Auch das Schlagen von Kindern war mal eine bewährte und langjährig erprobte Gewohnheit, die nur durch Bevormundung und ständiges den Leuten auf den Zeiger gehen abgeschafft werden konnte. Bin ich froh drüber. Oder um bei der Sprache zu bleiben: Glücklicherweise redet mich dann heute doch niemand mehr als Fräulein an, obwohl ich unverheiratet bin und daraus auch kein Geheimnis machen möchte. Und aus meiner Erfahrung kann ich nur ermutigend berichten, dass es mir, obwohl mit den Wörtern „Negerkuss“ Und „Mohrenkopf“ usw. aufgewachsen bin, es gar nicht schlimm oder besonders anstrengend war, darauf zu verzichten. Es tut nicht weh.

„Seit wann genau darf ich warum genau nicht mehr über die Genealogie, also die ‚Wurzeln‘ eines Menschen sprechen? Haben wir denn nicht alle welche?“ Wir alle haben Wurzeln, aber nur manche Leute sollen jeden verdammten Tag darüber sprechen, über ihre persönliche Geschichte, über die Geschichte ihrer Familie. Warum nur? Sicherlich gibt es ganz natürliche Herkunftsgespräche: ein paar Leute aus unterschiedlichen Zusammenhängen treffen sich zum ersten Mal und jeder erzählt, wo er herkommt. Bloß das Blöde ist, dass nur bei manchen Leuten dann immer noch mal nachgefragt wird, wenn sie sagen, dass sie zum Beispiel aus Köln kommen, wo sie denn „ursprünglich“ her „stammen“ oder wo ihre Familie herkommt. Wie idiotisch! Vielleicht wäre es für uns alle ganz erhellend, uns mal zu fragen, warum denn das Aussehen und die Herkunft von Menschen für uns so wichtig sein soll, dass wir sie nicht nur dann thematisieren wollen, wenn es um das Thema Herkunft oder Aussehen geht, sondern immer und ständig. RUTH HÜBNER, Berlin

Ausgerechnet eine Hochschule

■ betr.: „Es wird gegessen, was auf den Tisch kommt“,taz vom 12. 10. 13

Der evangelische Superintendent hofft, dass ein Bewusstsein für religiöse Speiseregeln geschaffen werde. Vom Bewusstsein für religiöse Speiseregeln ist es vermutlich kein sehr weiter Weg zum Bewusstsein für religiöse Regeln. Dass religiöse Regeln seit der weitestgehenden Trennung von Kirche und Staat keine Rolle mehr im öffentlichen gesellschaftlichen Leben Europas spielen, hat die Glaubensgemeinschaften immer sehr geschmerzt – kein Wunder also, dass auch Juden und Muslime „interreligiöse Ernährung“ ganz großartig finden. Europa war schon mal weiter.

Vergessen scheint, dass die heutigen „europäischen Werte“ sich erst nach einer beginnenden Emanzipation von religiösem Glauben im Rahmen der Descartes’schen Aufklärung entwickelt haben. Dass sich ausgerechnet eine Hochschule, also ein vermeintlicher Hort der Aufklärung und kritischen Vernunft, im Rahmen der religiösen Reconquista verdient macht, ist dabei ein besonders gelungener Witz, passt aber offensichtlich gut in eine Zeit, in der sogar eine Partei wie die Grünen von einem Präsidiumsmitglied des Deutschen Evangelischen Kirchentags mit geführt wird.

Warum in Schulmensen nicht einfach flächendeckend und ohne jede religiöse Begründung ein vegetarisches Gericht angeboten wird, mit dem die meisten Religionen kein Problem haben dürften, und das nebenbei auch noch umweltschonend und ganz im Sinne der „Bewahrung der Schöpfung“ wäre, scheinen sich weder die Hochschule, noch die Religionen zu fragen.

MARKUS HOLT, Haltern am See

Unerträglicher Gedanke

■ betr.: „Katholizismus. Berg und Brunnen“, taz vom 12. 10. 13

Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst sollte nicht einfach zum Rücktritt aus seinem Amt gedrängt werden – am Ende noch in einen vorzeitigen Ruhestand, den der Steuerzahler bezahlt. Besser wäre es, er ginge als einfacher Pfarrer nach Indien oder Afrika, in ein Gebiet, wo jeder zu schätzen lernt, wie wenig es braucht, um zufrieden leben zu können. Nicht als Strafe, sondern als Chance zu echter Zufriedenheit und eigenem Seelenheil. Dort könnte er selbst erleben, wie wenig Geld ein Mensch braucht, um „gut“ leben zu können.

Unerträglich der Gedanke, dass Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst mit einer satten Bischofspension Geld abschöpft, von dem so viele andere Menschen leben könnten. Allein für seine 15.000 Euro teuer Badewanne könnten in Ruanda 500 Waisenkinder einen Monat lang versorgt werden und in die Schule gehen.

RAINER GLISSNIK, Kronach

Konkreter Vorschlag

■ betr.: „Die zerlegte Zahl. 6,307 Cent“, taz vom 12. 10. 13

Die Steigerung der EEG-Umlage um 6,307 Cent für 2014 wird erneut die Kritiker auf den Plan rufen (rufen sie schon?): „Der Hartz-4-Empfänger mit Frau und drei Kindern kann seinen Strom nicht mehr bezahlen und sitzt daher bald im Dunkeln.“

Ein konkreter Vorschlag zur Entkräftung: Hartz-4-Empfängern werden zukünftig auch die Stromkosten bezahlt – in der Höhe des Durchschnittsverbrauchs aller Haushalte je nach Haushaltsgröße (5-köpfige Haushalte zum Beispiel verbrauchen durchschnittlich 5.000 kwh/Jahr). Der derzeit durchschnittliche Strompreis von 26,4 Cent/kwh würde dann bei dieser fünfköpfigen Familie zu einer Erhöhung der Hartz-4-Zahlung von 110 Euro/Monat führen. Finanziert werden könnte das durch die Streichung der EEG-Befreiungen für die Industrie. BERTRAM PREUSCHHOF, Diemarden