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Archiv-Artikel

LESERINNENBRIEFE

Konservativ-radikale Väterrechtler

■ betr.: „Wer nicht mitmacht, verliert“, Interview mit Rainer Sonnenberger vom „Väteraufbruch“, taz vom 6. 9. 10

Seit einigen Jahren finden Väterrechtler, Familienfundamentalisten und Lebensschützer zunehmend Resonanz in den Medien, auch in den linken. Darüber gewinnen sie immer mehr an politischem Einfluss. Massiv leugnen die Väterrechtler die Macht- und Gewaltverhältnisse zwischen Männern und Frauen, bezichtigen von Gewalt betroffene Mütter der Lüge, denunzieren Frauenunterstützungseinrichtungen und Feministinnen. Vor einem Jahr (16. 6. 2009) bekam zum Beispiel Prof. Gerhard Amendt für seine Polemik „Warum Frauenhäuser abgeschafft werden müssen“ in der Welt eine Plattform und bezeichnete Frauenhäuser als Orte des Männerhasses.

Die Organisierung und Ausbreitung einer konservativ-radikalen Väterrechtsbewegung, die die Rechte der biologischen Väter ohne die Pflichten stärken wollen, fördert die Entrechtung der alleinerziehenden Mütter und führt zu einer Repatriachalisierung der Geschlechterverhältnisse durch die Hintertür des Sorge- und Umgangsrechts. Einseitig und zum Nachteil der von physischer und psychischer Gewalt betroffenen Frauen und Kinder gehen die Väterrechtler von dem Leitbild einer gemeinsamen, gleichberechtigten und kooperativen Elternschaft auch nach der Trennung aus. Dafür steht das Cochemer Modell (siehe Interview)! Völlig ausgeblendet wird dabei, dass in konfliktreichen und von Gewalt geprägten Beziehungen die Gewaltverhältnisse auch nach einer Trennung weiterwirken.

Nachweislich ist während der Trennungszeit das Risiko für die Frauen und Kinder, vom Expartner angegriffen, geschlagen und gar getötet zu werden, am größten. Gerade in dieser Zeit ist es für die Mütter unmöglich, das kindschaftsrechtlich angestrebte gemeinsame Sorgerecht mit dem gewalttätigen Expartner einvernehmlich auszuüben. Dazu kommt, dass auch sehr gewalttätigen Vätern mittlerweile fast immer von den Familiengerichten ein Umgangsrecht zugestanden wird. Von Gerichten, GutachterInnen, Verfahrensbeiständen und oft auch von Jugendämtern wird die Bedrohung und Gefahr, die von gewaltbereiten Expartnern ausgehen kann, häufig völlig unterschätzt, oder den Müttern wird einfach nicht geglaubt. Immer noch wird davon ausgegangen, dass ein misshandelnder Ehemann trotzdem ein liebevoller Vater sein kann und dass eine Unterbrechung des Umgangskontakts zu dem getrennt lebenden (biologischen) Vater für die Kinder grundsätzlich schädlicher sei als die vom Vater ausgehende Gefahr und Bedrohung im Umgangskontakt.

Deshalb werden selbst Kinder, die mit ihren Müttern in ein Frauenhaus geflüchtet sind, auch gegen ihren Willen in den Kontakt mit gewalttätigen Vätern gezwungen. Widersetzen sich die Mütter derartigen gerichtlichen Entscheidungen, um ihre Kinder zu schützen, so drohen ihnen Geldstrafen, die Herausgabe des Kindes unter Einsatz staatlichen Zwangs bis hin zu Sorgerechtsentzug und Ordnungshaft. Ohnmacht und Verzweiflung der Mütter sind von daher groß.

Mit Grund: Am 2. September versuchte in Trendelburg ein Vater seine Kinder zu ertränken, anschließend sprengte er sich und die Kinder in die Luft. Tochter und Vater starben, der einjährige Sohn überlebte schwer verletzt. Die Mutter hatte in einem Frauenhaus in der Nähe von Kassel Zuflucht gefunden, der Mann hatte über ein gerichtliches Eilverfahren den Umgangskontakt mit den Kindern erwirkt. Fast täglich lassen sich derartige Meldungen in der Presse finden.

Schon seit Jahren weisen Mitarbeiterinnen von Frauenhäusern und Frauenberatungsstellen darauf hin, dass es bei den Besuchs- und Umgangskontakten mit den Vätern immer wieder zu Übergriffen auf die Kinder und auf die Mütter kommt und ihr Schutz völlig lückenhaft ist. Sie fordern bei Gewalt die sofortige Aussetzung des Umgangsrechts und das alleinige Sorgerecht für die Mütter, bis der Expartner zum Beispiel in einer Therapie seine Erziehungsfähigkeit unter Beweis gestellt hat. (www.autonome-frauenhaeuser-zif.de) KATHI STÜRMER, EVA-K. HACK, Kassel

Frisieren lernen an der Uni

■ betr.: „Bildungsstudie“, taz vom 8. 9. 10

Wer die Berufsbildungssysteme von Deutschland und anglo-amerikanischen Staaten miteinander vergleicht, vergleicht Äpfel mit Birnen. In diesen Ländern gibt es keine der unseren vergleichbare Ausbildung in Lehrberufen mit anschließender Weiterbildung zum Meister. Die Ausbildung erfolgt in Colleges. Man geht für die Ausbildung zum Friseur oder zur Krankenschwester aufs College, „auf die Uni“, eine Ausbildung, die jedoch unseren Fachschulen vergleichbar ist. Werden diese College-Absolventen mit in die Quote derer mit akademischer Ausbildung hineingerechnet, ist es kein Wunder, wenn Großbritannien, Irland oder die USA einen höheren Anteil an College- bzw. Hochschulabsolventen vorzuweisen haben als wir. STEFANIE SCHMIDTKE, Schacht-Audorf