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Archiv-Artikel

LESERINNENBRIEFE

Lieber gleich SPD?

■ betr.: „Gysis Mission gescheitert“, „Die Logik einer Sekte“, taz vom 8. 4. 14

Was Stefan Reinecke da fordert, ist schlicht die einzige pluralistische linke Partei zu konkretisieren, um in alte PDS-Zeiten zurückzufallen. Würden sich die „Realos“ respektive Reformer der Linkspartei des linken Flügels entledigen, könnten sie sich gleich den Sozialdemokraten anschließen und dann genüsslich weiteren, als demokratisch geltenden militaristischen Aktionen zustimmen, allen voran Stefan Liebich.

Die Strömungen Antikapitalistsiche Linke (AKL) und Sozialistische Linke (SL) in der Linkspartei vertreten wohl als letzte Überlebende der reformistischen Propaganda innerhalb der Partei wirklich linke, antimilitaristische und – das ist das Wichtigste – sozialistische Ideen. Schade, dass Stefan Reinecke die Linkspartei lieber im linken Flügel der SPD sehen möchte. LILJA NOWAK, Konstanz

Theorie und Praxis

■ betr.: „Abzug. Sehnsucht nach Russland“ von Thomas Gerlach, taz vom 8. 4. 14

Ich kann mich an anderes erinnern.

Man munkelte damals, dass es in Wittenberg noch einmal genauso viele russische Armeeangehörige wie Deutsche gab. Der wesentliche Unterschied aber bestand zwischen Offizieren und den einfachen Wehrpflichtigen, genannt Muschkoten. Die bekamen in den drei Jahren Dienst genau einmal Heimaturlaub und durften die Kaserne nur in der Gruppe, geführt von einem Offizier, verlassen, außer als Offiziersbursche, da sah man sie die Einkaufstaschen der Frauen ihrer Herren tragen.

Die Offiziere waren tatsächlich mit hiesigen Bonzen dick befreundet und verliehen die – grundsätzlich – schlanken Muschkoten als kostenlose Arbeitskräfte. Die haben, bewacht von herumstehenden Offizieren, schwerste Handarbeit in meiner LPG leisten müssen, aber auch in der Kartoffelsortierung gearbeitet – Offiziersfrauen hatten das nicht nötig. Als Belohnung gab es dann das fette Kantinenessen, was den nur von Kohl und Kartoffeln ernährten einfachen Soldaten regelmäßig nicht bekam.

Gesehen habe ich auch einmal bei der Arbeit auf dem Acker die Jagd per Fußsoldaten, Fahrzeugen und Hubschraubern auf einen entwichenen Soldaten. Es war bekannt, dass von Älteren sadistisch gequälte, heimwehkranke 18-Jährige gelegentlich versuchten, zu flüchten. Viele haben das nicht überlebt.

Mir ging schon damals, als Schülerin, diese Praxis mit der Theorie des von der Unterdrückung „befreiten“ Sowjetmenschen nicht zusammen. Das zum Thema „die Freunde“. GERBURG HEIMERL, Bernbeuren

Enttäuschung statt Hochachtung

■ betr.: „Gabriel entzückt die Industrie u. a.“, „Die Rechnung, bitte!“, taz vom 9. 4. 14

Als Energiesachverständige mit internationalem Umfeld beobachten wir die deutsche Energiewende seit geraumer Zeit. Bis vor Kurzem mit Freude und Bewunderung. Eine großartige Leistung Deutschlands! Das EEG ist zweifelsohne eines der klügsten und erfolgreichsten Wirtschaftsförderprogramme aller Zeiten. Nahezu 400.000 neue Arbeitsplätze wurden dadurch neu geschaffen, namentlich strukturschwache Regionen wurden gestärkt, die Umweltbelastung wurde reduziert.

Inzwischen ist unsere Hochachtung ungläubiger Enttäuschung und Verzweiflung gewichen. Was die Koalitionsregierung vorhat, ist dilettantische Bastelei – den großen Strom- und Kohlekonzernen dienend, nicht aber dem Lande und seinem Volke. Ziemlich grotesk: die schmutzige Kohleverstromung massiv zu subventionieren, die Erneuerbaren jedoch ausbremsen zu wollen!

Wir sind in Deutschland noch niemandem begegnet, welcher die EEG-Novelle für gut befunden hätte, dagegen Kopfschütteln, Unverständnis, schiere Wut. Laut Umfragen wollen 93 Prozent der deutschen Bevölkerung die Energiewende, die große Mehrheit möglichst rasch. Die Bundesregierung dagegen ist offenbar bereit, Zehntausende Arbeitsplätze zu zerstören. Die ganze Welt schaut auf Deutschland, wo man zurzeit dabei ist, den guten Ruf des Landes als Leuchtturm zukunftstauglicher Energiepolitik und dessen Glaubwürdigkeit zu untergraben. Verheerend für das Land, seine Wirtschaft, seine Stellung in der Völkergemeinschaft, seine Unabhängigkeit, die Umwelt.

Ein Masterplan wäre notwendig: statt von hörigen, käuflichen Politikern von unabhängigen, praxiserprobten und innovativen Fachleuten zusammengestellt, mit der klaren Vorgabe, die Energiewende zügig in die Praxis umzusetzen: gerecht, effizient, 100 Prozent erneuerbar, dezentral und mit aktiver Beteiligung der Bürger, der Kommunen, Regionen, Bundesländer. Jetzt besteht die Chance, ja die Pflicht, sich aktiv zu engagieren. FRITZ und KAORI WASSMANN-TAKIGAWA, Neuenegg, Schweiz