LESERINNENBRIEFE : LESERINNENBRIEFE
Das Glatteis der Vergleiche
■ betr. „Warnung vor dem Iwan“, taz vom 15. 4. 14
Es ist doch immer wieder erfrischend zu lesen, wenn sich ein Vertreter der Politiker- und Journalistenmehrheit, die an der Mehrheit ihrer Wähler bzw. Leser schier verzweifeln, weil die immer noch keinen Bock auf Strafaktionen gegen Russland hat, auf das Glatteis der Vergleiche begibt. Denn wer die „Rechtschaffenheit“ der Machthaber in Washington gegen den „Imperialismus“ der Putin-Adminstration in Moskau in Stellung zu bringen versucht, kann nur scheitern. Ganz richtig erkennt Klaus Hillenbrand, dass die „Russlandversteher“ überhaupt keinen Krieg wollen, nicht kapieren will er aber, dass diese es sind, die sich entsetzt von einer Politiker- und Journalistenmeute abwenden, die „doppelte Standards“ offenbar gar nicht mehr erkennen oder wohl für völlig legitim halten, denn: „Quod licet Jovis, non licet bovis.“ Frei übersetzt: „Was Amerika darf, dürfen die anderen noch lange nicht!“ Muss ich jetzt wirklich wieder all die Beispiele bringen, wann und wo das Imperium die Menschenrechte und internationales Recht mit Füßen getreten hat und weiter mit Füßen tritt? Die Hinrichtung von Menschen ohne Gerichtsurteil mit Hilfe bewaffneter Drohnen, das illegale Ausspähen der Telekommunikation von Handy- und Internetnutzern in der ganzen Welt, der fortdauernde Verstoß gegen internationale Rechtsnormen im Gefangenenlager Guantanamo, der verbrecherische Überfall auf den Irak mit letztlich hunderttausenden Toten … Ich bin fest davon überzeugt, wenn Deutschland und andere EU-Staaten diese unrechtmäßigen Handlungen mit Sanktionen beantwortet hätten, würde die Mehrheit der Leser und Wähler jetzt auch Strafaktionen gegen Russland uneingeschränkt befürworten. Denn natürlich ist der von Hillenbrand so bezeichnete „Ethnonationalismus“ Scheiße, das war er aber auch schon vor 20 Jahren, als Hans-Dietrich Genscher gar nicht schnell genug die Abspaltung Sloweniens und Kroatiens von Jugoslawien anerkennen konnte. HEINZ-HERMANN INGWERSEN, Neumünster
Liberale Kräfte stärken
■ betr.: „Dugin, der Wanderprediger“, taz vom 14. 4. 14
Die Auflösung der alten Sowjetunion, welche ja de facto als russisches Großreich verstanden wurde, die geistige und vor allem auch ökonomische Pleite des Kommunismus haben die Russen tief verunsichert und auch persönlich hart getroffen. Viele Russen leben nun als Minderheiten in anderen Staaten. So verwundert es nicht, dass man sich „nach der guten alten Zeit“ sehnt, dass Nationalisten und Klerikale viele Anhänger finden. Auch konnte sich in Russland kein selbstbewusstes, kritisches und weltoffenes Bürgertum entwickeln. Führungspersonen mit einfachen Antworten geben den Ton an. Die Regierung Putin verstärkt diese Tendenz noch. Allerdings lässt sich das Rad der Geschichte nicht zurückdrehen. Über Internet kann sich jeder Russe frei informieren, die Macht der Orthodoxen Kirche ist nach all den Jahrzehnten des Säkularismus begrenzt und die 1991 unabhängig gewordenen Sowjetrepubliken werden sich nicht mehr unter das russische Joch beugen.
Der „Westen“ sollte die liberalen Kräfte innerhalb Russlands stärken, indem man Städte- und (Hoch-)Schulpartnerschaften fördert, damit die Normalbürger, gerade die jungen Leute einander kennenlernen und so Vorurteile abbauen. Zugleich sollten wir Russland unermüdlich und öffentlich an seine internationalen Verpflichtungen erinnern. Ich empfehle aber auch wirtschaftlichen Druck, um so die hinter Putin stehenden Oligarchen zu treffen. Putin, der als Geheimdienstmann kein ideologischer Fanatiker, sondern ein Vernunftmensch ist, müsste dann früher oder später innen- und außenpolitische Reformen einleiten.
CHRISTIAN FUCHS, Gutenstetten
Penetrante Versuche
■ betr.: „Letzte Chance für die Diplomatie“, taz vom 16. 4. 14
Nachdem die EU durch ihre penetranten Versuche, die Ukraine auf ihre Seite zu ziehen, Russland zumindest gewaltig provoziert, wenn nicht gar mit Russland bestehende Verträge (selbstverständlich vorsätzlich!) verletzt hatte, hatte der russische Präsident die einzig vernünftige Konsequenz gezogen und durch die Einverleibung der Krim ein deutliches „Bis hierher und nicht weiter“ kommuniziert. Das wurde von den USA- beziehungsweise Nato-hörigen Medien (die bekanntlich wegen der seit Ende des Zweiten Weltkriegs beinahe täglich erfolgenden völkerrechtswidrigen Verletzungen der territorialen Integrität zahlreicher Staaten sowie wegen der regelmäßigen Drohnen-Morde durch die USA noch nie ernstzunehmende Konsequenzen gefordert haben) mit großem Geheul, hektoliterweise Krokodilstränen und empörtem Rufen nach ernsten Konsequenzen quittiert.
Inzwischen haben unter anderem mit Schnellfeuergewehren bewaffnete maskierte Terroristen (hier ist dieser Ausdruck ausnahmsweise einmal wirklich angebracht!) zahlreiche Amtsgebäude im östlichen Teil der Ukraine in ihre Gewalt gebracht und dort russische Flaggen gehisst. Nachdem die ukrainische Regierung einem Referendum über den künftigen Status der östlichen Ukraine längst zugestimmt hat, lief inzwischen ein von der ukrainischen Regierung gesetztes Ultimatum zur Preisgabe dieser Amtsgebäude nun ergebnislos aus, und die ukrainische Regierung will diese Gebäude nun mit Antiterroreinheiten (womit sonst?) wieder in ihre rechtmäßige Gewalt bringen. Dieses Vorgehen hält Eric Bonse für vollkommen inakzeptabel. Vermutlich hält er in einem solchen Fall gutes Zureden und/oder das Verteilen von Bibeln für adäquatere Mittel, um schwerbewaffnete Terroristen zu bekämpfen?
URS KUBA, Berlin