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Archiv-Artikel

LESERINNENBRIEFE

Die Oberen leben es vor

■ betr.: „Der Spion, der am Scanner stand“, taz vom 7. 7. 14

Natürlich werden hier Nachrichten verkauft und natürlich an die Seite, die sie am besten vergütet. Wir leben in dieser Welt, in der man/frau all das umsetzt, was eben auch möglich ist. Und warum sollte da vor der Souveränität, Sicherheit und Privatsphäre eines Staates und seiner BürgerInnen haltgemacht werden? Die Oberen leben es uns doch schamlos vor: heute noch Entwicklungshilfeminister, morgen breit lächelnd angestellt im Rüstungskonzern Rheinmetall, um nur den letzten lukrativen Seitenwechsel zu nennen. Bei mir ist die Empörung über die Lethargie und Angepasstheit unserer Regierung und sogenannten Opposition einer großen Enttäuschung gewichen. In einer Demokratie bekommt man/frau eben die Regierung, die man/frau wählt. Schauen wir mal, wie sich die Fassungslosigkeit unserer Kanzlerin gestaltet, möglicherweise wird sie ja doch noch erleuchtet und erwägt ein Gespräch mit Herrn Snowdon.

SIBYLLA M. NACHBAUER, Erlangen

Generelle „Daseinsvorsorge“

■ betr.: „Nette Vignette“, taz vom 8. 7. 14

Das scheinbar Einzige, nämlich bei dieser pauschalen Bezahlung nicht unsere Fahrstrecken preisgeben zu müssen, lässt sich sofort damit entkräften, dass die Mineralölsteuer ebenfalls keine Fahrdaten preisgibt, aber wesentlich zielgerichteter wirkt als eine rein kilometerbezogene Maut. Denn sie verlangt ein Entgelt für den tatsächlichen Schaden, den eine Pkw-Fahrt anrichtet, das sind die CO2-Emissionen und die Schadstoffbelastung der Luft. Und diese entsprechen dem Treibstoffverbrauch. Im Gegensatz zur Streckenmaut gibt die Mineralölsteuer aber den notwendigen Anreiz zu zurückhaltender Fahrweise und zu sparsamen Fahrzeugen.

Völlig irrelevant hingegen sind mittlerweile die Pkw-Fahrten für die Belastung der ständig beklagten Infrastruktur; während diese nämlich wie Matchbox-Autos über die Straßen gleiten, sind es einzig die Lkws, die die Straßen und Brücken belasten und beschädigen. Es sollte doch inzwischen bekannt sein, dass aus physikalischen Gründen (Belastungsfaktor = vierte Potenz des Gewichts) ein etwas dickerer Lkw dieselbe Beanspruchung verursacht wie mehrere tausend Pkw! Wenn also ein Zusammenhang zwischen volkswirtschaftlicher und ökologischer Belastung einerseits und gegensteuernden Gebühren andererseits herrschen soll (was dann auch politisch gerechtfertigt und vertretbar wäre), dann sind es die Lkw-Maut für die Infrastruktur und Mineralölsteuer für Luftschadstoff- und CO2-Emissionen. Allenfalls für Kommunen könnte man sich zusätzlich eine separate Kfz-Steuer vorstellen, die wie vor Jahren in Italien nach der Grundfläche der Fahrzeuge bemessen wird, womit Besitzer großer Vehikel stärker für die Bereitstellung von Park- und sonstigen Nutzflächen herangezogen würden als die kleiner Stadtwägelchen.

Im Übrigen frage ich mich, wann gegen die pauschale Ausdehnung einer Maut auf jede Straße und jeden Weg vor Gericht gezogen wird. Denn die Bereitstellung von Fahr- und Fußwegen (aber nicht notwendigerweise von zusätzlich angebotenen Schnellstraßen) gehört zur generellen „Daseinsvorsorge“ des Staates, die aber allgemein über die Steuern zu finanzieren ist. Mit derselben Chuzpe könnte der Staat eine Maut von Fußgängern und Radfahrern erheben.

ARNO GAHRMANN, Bremen

Hübsch schöngerechnet

■ betr.: „Irrationales Privateigentum“ von Rudolf Walther,taz vom 7. 7. 14

Grundsätzlich stimme ich dem Tenor der Veranstaltung ja durchaus zu. Was allerdings die Zahlen zum grünen Wachstum angeht, musste ich mich doch wundern – positives Denken hin oder her. Da ist beispielsweise die Rede davon, dass in Europa 70 Prozent des Stroms „grün“ erzeugt werden. Mal abgesehen davon, dass „grün erzeugt“ kein Fachbegriff ist, wird hier offensichtlich Kernenergie mit eingeschlossen. Zahlenspielerei auch beim angeblich um 27 Prozent zurückgegangenen Energieverbrauch in Deutschland. Es bleibt nicht nur unklar, welche Energiedaten gemeint sind (Endenergie, Primärenergie), sondern auch, wie Herr Jänicke zu diesem Ergebnis kommt. Der Endenergieverbrauch lag 1995 bei 9.322 Petajoule und 2013 bei knapp 9.000, der Primärenergiebedarf war 1995 14.269 Petajoule und 2013 14.004. Wie man da auf 27 Prozent kommt, bleibt Jänickes Geheimnis. Das schöne „grüne Wachstum“ braucht wohl noch Nachhilfe. WERNER MÜLLER, Bremen

Blick in den Stall

■ betr.: „Auch wer täuscht, darf bleiben“, taz vom 8. 7. 14

Die Botschaft hinter dem Neuland-Skandalskandal ist die, die wir alle eh schon kennen: Wird der Betrieb zu groß, wird es schwierig mit der Ethik, weil nicht mehr alle Handlungsebenen kontrolliert werden können. Früher oder später erwischt es jeden. Deshalb ist die Konsequenz neben weniger Fleischkonsum eben auch die, dass ich lieber beim nicht biozertifizierten Hofladen in meiner Region kaufe, bei dem ich beim Blick in den Stall oder auf die Weide sehen kann, wie er seine Tiere hält, oder schon bei der Größe des gekauften Huhns erkennen kann, dass er mit dem 1,99-Euro-Wiesenhofhähnchen aber auch gar nichts zu tun hat. Dezentralisierung ist nicht nur bei der Energieerzeugung die Lösung, sondern auch bei der Erzeugung und dem Verkauf von Lebensmitteln. Neben besseren Lebensmitteln schafft das nämlich auch Arbeitsplätze. Und zerschlägt Strukturen, wie sie durch Konzerne wie Metro und Aldi oder Alnatura geschaffen wurden, von unten. JÖRG RUPP, Malsch