LESERINNENBRIEFE :
Der schönste Urlaub
■ betr.: „Noch einmal das Meer sehen“, taz vom 26./27. 2. 11
Ein ergreifender Artikel. Glückwunsch an die taz wegen der Berichterstattung. Nach einem erfüllten Leben ist die Diagnose Bauchspeicheldrüsenkrebs ein furchtbares Schicksal. Ein unheilbares Leiden, zurzeit noch. Selbst Chemotherapie hält das Fortschreiten höchstens Wochen oder Monate auf.
Meine Frau erkrankte nach fast vierzigjähriger Ehe an Bauchspeicheldrüsenkrebs. Diagnose – Operation – Chemotherapie, eine furchtbare Zeit für uns beide. Nach der dritten Runde Chemotherapie die Einsicht in ihre Nutzlosigkeit. Und der Wunsch: Noch einmal das Meer sehen. Es folgten zwei der schönsten Wochen Urlaub auf Sylt, die wir jemals zusammen erlebt hatten: Alles genossen, gewandert und viele Gespräche wie nie zuvor in allen Ehejahren.
Ein Mensch verabschiedete sich bewusst von der Welt; kannte das bevorstehende Ende nach Rückkehr in die gewohnte Umgebung; nicht im Krankenhaus, sondern zu Hause.
Die Rolle des Ehemannes? Er war einfach da. Vielleicht war das wichtig. UWE WOLFF, Berlin
Steuern sparen, Porsche fahren
■ betr.: „O Täler weit, o Höhen“, taz vom 28. 2. 11
Wie gut, dass es die FDP gibt: Seit deren „Aufklärungskampagne“ zur letzten Bundestagswahl gehören „Sekretärinnen, Angestellte im öffentlichen Dienst, kleine Beamte und selbstständige Architekten“ ja bekanntlich zum Mittelstand – und müssen Steuern sparen, Steuern sparen, Porsche fahren. Brav schreibt es auch die taz-Autorin Gabriele Goettle mitten hinein in unsere Mittelschicht-Gehirne. Weiter so, taz, mit solchem Westerwelle-Wischiwaschi seid ihr auf dem besten Weg zum Mittelmaß. Mit erschrockenen (und amüsierten) Grüßen
BJÖRN WOLF, Offenbach
Die Welt messerscharf seziert
■ betr.: „Machen Sie es nicht so romantisch“, taz vom 19./20. 2. 11
Dass ich das Interview mit Jutta Ditfurth enttäuschend fand, lag weniger an den Antworten der Interviewten, als vielmehr an Martin Reicherts Art zu fragen. Immer wenn es interessant wurde und ich dachte: „Jetzt musst du mal nachhaken“, hat er das Thema gewechselt. Jutta war wie erwartet: konsequent, authentisch, radikal. Die Grünen sind im Laufe der Zeit vieles geworden und nun also „FDP mit Fahrrad“. Jutta Ditfurth ist immer „Jutta Ditfurth“ geblieben.
Der geneigte Leser bekommt reichlich Argumente zur Untermauerung seiner eigenen Überzeugungen. Die Welt wird messerscharf seziert in „wir“, das sind die sehr Guten (ganz wenige, fast alle schon tot) und Guten (wenige) und „ihr“, das sind die Bösen (viele) oder Doofen (die das „System“ nicht durchschauen oder nicht durchschauen wollen, also fast alle). Was da nicht reinpasst, wird weggelassen.
Vor Unerwartetem, das mein festes Gedankengerüst eventuell durcheinanderwirbeln könnte, brauche ich mich bei Jutta nicht zu fürchten. Visionen, wie ein gerechteres Zusammenleben von 80 Millionen in einer Welt mit 7 Milliarden organisiert werden könnte, sind auch nicht ihre Sache. Was mir vom Interview im Gedächtnis bleibt, ist, dass Jutta Ditfurth sich immer noch für ihre bildungselitäre Herkunft rechtfertigt. Mit nun 60 Jahren braucht sie das nicht mehr.
Sich vom allgemeinen Jugendwahn zu befreien, ist ihr offensichtlich auch noch nicht gelungen. Als vom Leben korrumpierter fast 50er, dem „Mut und Radikalität abhanden gekommen sind“, fühle ich mich von Jutta Ditfurth immer irgendwie ertappt.
MICHAEL PALMEN, Bornheim