LESERINNENBRIEFE :
Für den Frieden arbeiten
■ betr.: „Kongo. UNO hofiert Kriegsverbrecher“, UN-Freiflüge für Kriegsverbrecher“, taz vom 16. 7. 14
Bezüglich der Situation in Nord-Kivu gilt Folgendes: Seit vielen Jahren verfolgen wir die tragische Situation dieser Region, die eine der Folgen der Ereignisse im Zusammenhang mit dem schrecklichen Völkermord an den Tutsi vor zwanzig Jahren in Ruanda darstellt. Die Gemeinschaft Sant’Egidio versuchte, einer friedlichen Lösung für die Instabilität in der Region den Weg zu ebnen und das Leid der Zivilbevölkerung zu lindern. Dabei stellte sie Kontakte zu den verschiedenen bewaffneten Gruppen her, die in der Region präsent sind, nicht nur mit der FDLR, sondern auch der alten CNDP von Laurent Nkunda und mit der M 23, ohne sich dabei je mit einer der Krieg führenden Parteien zu identifizieren, sondern vielmehr immer und allein im Bestreben, für den Frieden zu arbeiten und weiteres Blutvergießen zu verhindern.
Der Artikel spricht von „geheimen Gesprächen“ im Zusammenhang mit dem Treffen in Rom; dies trifft so nicht zu. Das Treffen in Rom, das auf Bitten der Sondergesandten für die Großen Seen stattfand, war nicht geheim. Es musste jedoch in gewisser Weise diskreten Charakter haben, um zu vermeiden, dass dadurch die FDLR politisch daraus Gewinn schlägt, was eine größere Aufmerksamkeit der Medien hätte bewirken können. Ziel des Treffens war es, die Glaubwürdigkeit des Prozesses einer „freiwilligen Entwaffnung“ zu testen, die die FDLR am 30. Mai begonnen hatte. Nach Meinung aller Sondergesandten bleibt die militärische Option weiterhin gültig und gangbar zu jeder Zeit, doch es war notwendig, zu verifizieren, ob die Bewegung den effektiven Willen hat, auf diesem Weg weiterzugehen mit dem Ziel, eine Entwaffnung schneller zu erreichen.
Das Treffen hatte überhaupt nicht den Charakter von Verhandlungen oder von Friedensgesprächen. Alle Teilnehmer waren sich dort über einige nicht verhandelbare Prinzipien im Hinblick auf den Beweis der Glaubwürdigkeit der Entwaffnung einig:
1. Die Auslieferung der Führer der FDLR-Bewegung, die von der internationalen Justiz wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Zivilbevölkerung gesucht werden.
2. Die völlige Entwaffnung und Übergabe aller Waffen innerhalb von drei Monaten und nicht länger (ausgehend vom 30. Mai, dem Beginn der freiwilligen Entwaffnung), wobei danach die militärische Option die einzig praktikable wäre.
3. Keinerlei Unterstützung für ehemalige Kämpfer mit Ausnahme der Repatriierung oder eventuell Überführung in andere Länder auf deren Wunsch, nach ihrer Entwaffnung.
4. Absolute und unmissverständliche Absage gegenüber Versuchen, die Entwaffnung von irgendeiner Forderung nach einem politischen Dialog mit der ruandischen Regierung abhängig zu machen.
In Ihrem Artikel wird die Gemeinschaft Sant’Egidio beschuldigt, mehrmals die FDLR finanziert zu haben. Diese Behauptung ist falsch und entbehrt jeder Grundlage. Die Gemeinschaft Sant’Egidio hat nie irgendeine bewaffnete Gruppe finanziert, sie hat weder der FDLR noch anderen Bewegungen Waffen zur Verfügung gestellt. Das ist gegen unsere Prinzipien und widerspricht den Zielen unserer Friedensarbeit.
Bei dem Treffen in Rom 2005, das im Artikel erwähnt wird, wurde die FDLR zum ersten Mal davon überzeugt, ihre Verantwortung für die Kriegsverbrechen der Tutsi im Jahr 1994 anzuerkennen und sie als Verbrechen gegen die Menschlichkeit anzuerkennen. Das war ein wichtiger Schritt, der eine erste große Gruppe (zwischen 10.000 und 11.000 Männer) zur freiwilligen Rückkehr nach Ruanda bewegte. Bei dieser Gelegenheit unterließ es die Regierung in Kigali nicht, uns ihre Wertschätzung für unseren Einsatz auszudrücken.
Schließlich spricht der Artikel bezüglich des Treffens in Rom von nur „symbolischen Schritten“. Wenn dies so wäre, würde es sich nicht erklären, weshalb man sich bei dem folgenden Treffen der SADC und der ICGRL in Luanda beeilte – wie die Verfasser richtig hervorheben –, das Ultimatum nochmals zu verlängern, das die Sonderbeauftragten der FDLR gestellt hatten. Diesbezüglich weisen wir darauf hin, dass alle Länder der Region in Luanda damit einverstanden waren, eine längere Frist zu vereinbaren: sechs Monate ab dem 2. Juli! Wir möchten die politischen Entscheidungen, die hier getroffen wurden, nicht weiter kommentieren, doch sei es uns erlaubt, die Frage zu stellen, von welcher Seite tatsächlich diese Bewegung unterstützt wird. Die Entscheidung zur Verlängerung des Ultimatums verursacht in der Tat heute nicht wenige Schwierigkeiten für die Sondergesandten und bedroht die Glaubwürdigkeit des gesamten Entwaffnungsprozesses. FRANCESCO TEDESCHI,
Verantwortlicher von Sant’Egidio für die Region der Großen Seen in Afrika
Prekäre Existenz
■ betr.: „Schöne neue Sexarbeit-Welt“, taz vom 28. 7. 14
Vieeelen Dank für den ausführlichen Beitrag von Mira Sigel, prominent auf der Meinungsseite platziert! Prostitution wird hier endlich dargestellt als das, was es für die meisten Betroffenen bedeutet: eine äußerst prekäre Existenz im Umfeld von Ausbeutung und Gewalt.
Seit Jahrzehnten warte ich auf so einen Artikel in der taz . Bisher wurde jedoch durchweg das selbstbestimmte Sexarbeiterinnentum propagiert und immer in Abgrenzung zur Emma, die schon immer das Zerstörerische im System Prostitution gesehen hat.
Erfreulich, dass ihr die Zeichen der Zeit erkannt habt – auch maßgebliche EU-Gremien etwa halten Prostitution für menschenunwürdig – und auch einmal die andere Seite zu Wort kommen lasst, ungeachtet eurer tief sitzenden Abneigung gegen Alice Schwarzer; mit Sigel habt ihr schließlich eine junge (hip! modern! nicht so vermeintlich altschachtelig wie Schwarzer) unabhängige feministische Stimme gefunden. GISELA GRAF, Magdeburg