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Archiv-Artikel

LESERINNENBRIEFE

Vier Jahrzehnte Westwurzeln

■ betr.: „Wir Missvergnügten“, taz vom 23. 8. 14

Als ich neulich im Fußballstadion aufsprang, um zu brüllen: „Steht auf, wenn ihr Leipziger seid!“, sagte mein Kumpel zu mir: Du bist doch gar kein Leipziger. Recht hat er. Ich fühle mich zwar mit Haut und Haaren als ein solcher, lebe aber erst 20 Jahre hier und bin – jetzt kommt das Entscheidende – dazu noch Westler. Diesen Makel wird man hierzulande nicht los. Warum? Weil der Blick immer zurückgerichtet wird und sich in Stigmatisierungen verfängt (auch wenn Frau Maier das etwas auffächert). Identität wird dann auf das reduziert, was man vor 25 Jahren einmal gewesen zu sein glaubte: „Als Ostlerin habe ich die Wahl.“ Wenn ich mich aktuell als Mitteldeutscher mit Migrationshintergrund erlebe, streife ich doch meine Identität nicht ab. Es ist eine Vergewisserung von vier Jahrzehnten Westwurzeln (nicht mehr und nicht weniger), die den Blick nach vorn sicher beeinflusst, aber nicht determiniert.

Ihr „Missvergnügten“? In Ihren Kolumnen schreiben Sie alles andere als missvergnügt. Möglicherweise wählt frau den Blickwinkel Ostlerin, wenn die Redaktion der ostdeutschen Vorzeigeredakteurin einen Artikel zu 25 Jahren nach … abverlangt. Und sich damit in den hiesigen Medienmainstream einordnet, der keinen Tag ohne irgendeine nutzlose Statistik auskommt, in der zwischen Ost und West unterschieden wird. Am Missvergnügen wärmt es sich wunderbar.

Keine Sorge, gegen Ihr Missvergnügen bin ich immun und werde bei nächster Gelegenheit im Stadion mit allergrößtem Vergnügen wieder aufspringen und ein identitäres Bekenntnis abgeben.

UWE BUCKENDAHL, Leipzig

Langweilig? Gut so

■ betr.: „langweiliglangweilig …“, „Oh Gott, ich hasse solche offenen Fragen“, taz vom 23. 8. 14

Ja, langweilig. Die sonntaz. Na und? Gut so, finde ich. Noch besser fänd ich: keine Wochenendtaz! Na ja, vielleicht abgesehen vom TOM. Das Wochenende mit Zeitunglesen zu vergeuden empfinde ich als nervig. Es ist für mich eine mehr oder weniger angenehme Pflichtübung unter der Woche. Doch da ist eine langweilige sonntaz immerhin ein guter Kompromiss, oder? Die ist rasch durch. Allerdings rutscht euch immer wieder der eine oder andere wirklich interessante Artikel durch. Für mich auf Seite 32f: „Oh Gott, ich hasse solche offenen Fragen“. Das müssen in der sonntaz bitte weiterhin Ausnahmen bleiben, hört ihr!? Nix für ungut.

HARALD CZACHAROWSKI, Bremen

Essig in Jubelgesänge

■ betr.: „Dr. Stasi“, taz vom 14. 8. 14

Die oft beschworenen Schwierigkeiten (Einigungsvertrag) sehe ich nicht.

Wenn lang gediente und verdiente Politiker auch noch nach 30 Jahren wegen Plagiats ihren Titel aberkannt bekommen, dann muss das erst recht für jenen Bereich gelten, der seine akademischen Grade einzig der Protektion der Partei und eines verbrecherischen Dienstes, wie ihn die Stasi darstellte, zu verdanken hat. Unsere Verfassung lässt jedenfalls (auf dem Papier) eine unterschiedliche Behandlung nicht zu. Danke Herrn Vogel von den Grünen im brandenburgischen Parlament für seinen Mut, Essig in die Jubelgesänge zum 25. Jahrestag der Maueröffnung zu gießen. Die etablierten und den Einheitsvertrag einst schließenden Parteien sind dazu zu feige …

CARL-WOLFGANG HOLZAPFEL, Berlin

Übergriffiges Gebot

■ betr.: „Foto der Woche: Liebe als Politikum“, taz vom 23. 8. 14

Nach anderen Medienberichten musste Maral Malka zum Islam konvertieren, um Herrn Manosur heiraten zu dürfen. Zum einen, weil in Israel Trauungen nur religionsintern erfolgen dürfen, zum anderen, weil dies vom Islam (in dieser Auslegung) so vorgeschrieben ist. Das wäre allerdings kritikabel, nicht unbedingt an dem konkreten Paar, aber als intolerantes, übergriffiges Gebot des Staates Israel beziehungsweise der islamischen Gemeinschaft. Und es zeigt einmal mehr, dass kaum Gutes daraus erwachsen kann, wenn Religion nicht als Privatsache aufgefasst wird. MAIK HARMS, Hamburg

Tödliche Gefahr für Bäume

■ betr.: „Alleen werden abgeholzt“, taz vom 19. 8. 14

„Weil Straßenbäume eine tödliche Gefahr für Autofahrer sind, müssen sie immer öfter weichen.“ Der Satz lässt sich genauso gut umdrehen: Weil Autofahrer eine tödliche Gefahr für Bäume sind … Und dann sollte es nach meinem Geschmack heißen: … müssen sie in Zukunft pro angefahrenen Baum 500 Euro bis 5.000 Euro zahlen. Auch dass Autofahrer nur eine „gewisse (?) Eigenverantwortung übernehmen sollen“, hat mich irritiert. Autofahrer steuern ihr Auto in voller (!) Eigenverantwortung.

Diese Alleen sind nicht nur landschaftsprägend, sondern stellen auch eine Art Kulturgut dar. Meist sind sie älter als die Verkehrsteilnehmer, die durch überhöhte Geschwindigkeit einen tödlichen Baumunfall verursachen. Es sollte ihnen also bewusst sein, dass die tödliche Gefahr nicht von den Bäumen ausgeht, sondern von ihnen als Autofahrer.

Dass der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft solch einen schlichten Sachverhalt nicht erkennt, spricht nicht für ihn. ANGELA VOM BAUR, Straubenhardt