LESERINNENBRIEFE :
Vom Thema abgelenkt
■ betr.: „Kratzfester Beschützer“ von Viktoria Morasch, taz v. 1. 9. 14
Vielen Dank für die kluge und wichtige Berichterstattung zum Thema. Aus unserem Engagement von #ichhabnichtangezeigt heraus begrüßen wir alle Artikel, die an einem Perspektivenwechsel und damit an einer wirklichen Beendigung der rape culture mitwirken.
Natürlich müssen Frauen sich auch hier und jetzt schützen. Aber insgesamt kann das nicht die Antwort auf die Probleme sein, und viele der Vorschläge, wie sie sich „schützen“ sollen, sind entweder lächerlich oder teuer oder in der Praxis, in einer Kultur, in der Frauen immer „nett“ sein müssen, nur schwer oder in der sehr konkreten Situation im Hier und Jetzt nur mit Überwindung durchzuführen. Ganz abgesehen davon, dass dies vom eigentlichen Thema, der hohen Toleranz gegenüber sexueller und sexualisierter Gewalt in unserer Gesellschaft, ablenkt. INGE KLEINE, München
Es gibt nicht nur die Kurden
■ betr.: „Waffe statt Wohnung“, taz vom 1. 9. 14
Die kritische Sicht der Waffen für Kurden muss noch ergänzt werden um das Problem der anderen Minderheiten im Irak. Es gibt da nicht nur die Kurden im Norden, sondern auch nicht wenige Christen, Jessiden und Turkmenen, die vor dem IS fliehen mussten und von den Kurden teilweise sogar im Stich gelassen wurden. Wenn nun nur eine Gruppe Waffen bekommt, ist das problematisch. Und für die humanitäre Hilfe, die von der militärischen strikt zu trennen ist, was Frau von der Leyen nicht zu wissen scheint, ist es auch wichtig, dass allen verfolgten Minderheiten geholfen wird, natürlich auch den säkularen Leuten, die jetzt Flüchtlinge sind. ULRICH FINCKH, Bremen
Doppelmoral in Frage stellen
■ betr.: „Der geliebte Feind“, taz vom 1. 9. 14
Die Anprangerung des Werteverfalls westlicher Eliten ist einen Kommentar wert: Wir sollten Verantwortung für das übernehmen, was wir weltweit anrichten. Gut so. Meine Zusatzthese: Und unsere Doppelmoral in Frage stellen.
Beispiel: Mit illegalen Verbänden in einem angrenzenden Land Krieg führen. Das macht die Türkei in Syrien. Applaus. Das macht Russland in der Ukraine. Ganz schlimm. Beispiel: Importstopp für Waren aus besetzten Gebieten. Israelische Waren aus den besetzten Gebieten. Kann man eh nicht unterscheiden. Russische Waren von der Krim. Aber hallo. Beispiel: Das Köpfen von Menschen. In Saudi-Arabien pro Jahr über 100. Was, wirklich? Bei der Isis blanke Barbarei, da helfen nur Bomben und Granaten.
Der Westen, die Türkei und die Arabische Halbinsel investieren jährlich eine Milliarde Dollar in die Zerstörung Syriens. Nebenwirkung: Flüchtlinge und die Isis. Ja, wir sollten Verantwortung übernehmen, uns entschuldigen und jährlich eine Milliarde Aufbauhilfe überweisen. Häuser statt Waffen. Doch welch schrecklicher Gedanke: Unser Geld an „die Bösen“. ROLF WALTHER, Ohlstadt
Kriegseuphorie wird gezüchtet
■ betr.: „Die russischen Menschen werden kriegsmüde“, taz vom 1. 9. 14
Viel mehr Sorgen bereitet mir, dass in Deutschland eine Art Kriegseuphorie gezüchtet wird. Die Medien, Presse, Funk und Fernsehen, werden immer unglaubwürdiger. Offensichtlich gibt es für sie nur die amerikanische Sichtweise der Geschehnisse, genau wie bei unseren Politikern.
Seit Wochen laufen im TV mahnende Dokumentarfilme über das Elend der beiden Weltkriege; unser Bundespräsident trifft sich in Polen zum Gedenken an den Kriegsbeginn 1939 und beide betonen: „Nie wieder Krieg“. Zu Hause fordert der eine aber stärkeren und umfangreicheren Einsatz des deutschen Militärs, der andere ein militärisches Eingreifen in der Ukraine und Nato-Militärbasen in Polen. Alles für den Frieden.
Es ist natürlich bekannt, dass in der Ukraine reichlich westliche Geheimdienste, Militärberater und Nato-Experten zu finden sind. So ist es auch nicht verwunderlich, dass nach dem Absturz der MH17 schon Minuten danach die Ursache und der Schuldige feststand. Die Untersuchungen vor Ort verliefen schon äußerst merkwürdig. Jetzt, wo die Ergebnisse der Untersuchungen schon längst festliegen, wird eine umfassende Nachrichtensperre verhängt, von wem? Das Volk wird wie immer verarscht, man will sich wohl nicht das Bild vom bösen Russen und guten Amerikaner kaputtmachen lassen. Aber auch die gesamte Presse hält still. Ich hoffe im Stillen, dass die taz mal etwas Licht in dieses Dunkel bringt, denn das wäre sicher für die meisten ihrer Leser interessant. RUDI NAUJECK, Hamburg
Staatlichkeit zurückgedrängt
■ betr.: „Ukraine. Gegen alle Regeln“, taz vom 30. 8. 14
Die größte Errungenschaft des Westfälischen Friedens 1648 war, das Machtmonopol Staaten verbindlich zuzusprechen. Diese „Ordnung“ galt über vier Jahrhunderte. Übertreibungen absolutistischer, dann totalitärer Staaten relativierten diese europäische Leistung. Und nun, unterstützt durch eine Wirtschaftstheorie, die Staatlichkeit bewusst zurückdrängt, weicht dieses Machtmonopol dem Privatisierungswahn, der Privatisierungsgier, wie Blackwater im Irak zeigte. In der Ukraine agieren noch nicht Söldner der Oligarchen. Das Machtmonopol gehört in überregionale Hände, à la EU, UNO, um Regeln zu geben. Der Markt kann es nicht sein. KLAUS WARZECHA, Wiesbaden