LESERINNENBRIEFE :
Unterlegene Sozialdemokraten
■ betr.: „Oettinger wird Bildschirmschoner“, taz vom 11. 9. 14
Oettingers Zukunft als digitaler Kommissar ist ja ganz lustig. Übersehen wird aber die politische Ausrichtung der EU-Kommission, in der künftig acht den Sozialdemokraten zugerechnete Mitglieder zwanzig schwarz-gelben Politikern völlig unterlegen sind. Und so tot die FDP in Deutschland sein mag: in Europa stellt ihre Parteienfamilie ALDE immerhin fünf Kommissionsmitglieder, darunter eine Vizepräsidentin und einen Vizepräsidenten. Grüne und Linke haben in der Kommission nach wie vor keinen Platz, dafür aber Hill von den „Europäischen Konservativen und Reformisten“, denen im Parlament neben den britischen Konservativen auch die AfD angehört.
In dem Apparat der Europäischen Union wird auch in den nächsten fünf Jahren ein durch und durch neoliberales Kabinett das Sagen haben. Daran ändern sozial klingende Formulierungen von Juncker, die Barroso durchaus auch beherrschte, nichts.
MICHAEL ROTHSCHUH, Hamburg
Es geht um Bombenkrieg
■ betr.: „Obama will IS-Terrormiliz ‚zerstören‘“, taz vom 12. 9. 14
Wir freuen uns immer, wenn die taz etwas beim Namen nennt, was andere nicht ehrlich ansprechen. Heute wird so auf der ersten Seite wenigstens von Luftangriffen gesprochen, wo die übliche Rede mit „Luftschlägen“ verharmlost. Aber warum ist nicht offen von Bombenkrieg die Rede? Darum geht es doch. ULRICH FINCKH, Bremen
Vereint in Duckmäuserei
■ betr.: „Völkermord und Landtagswahlen“, taz vom 12. 9. 14
Bettina Gaus hat es auf den Punkt gebracht! Die Vereinten Nationen sind vereint in Duckmäuserei, Unterwürfigkeit und Westen-weit angesteckt mit „german Zukunftsangst“. Passend dazu die neue Nachricht: erst ein bischöflicher Christ wagt es, die Eingreifpflicht der UNO öffentlich einzuklagen. Angesichts der Tatsachen ist es makaber, dennoch: Gratulation zu diesem Kommentar.
HEINER ROSEBROCK, Bremen
Starker Welt-Sheriff
■ betr.: „Obama will IS-Terrormiliz ‚zerstören‘“, taz vom 12. 9. 14
Der Obama gibt den starken Welt-Sheriff, obwohl der Zustand vor der eigenen Tür keinen Anlass dazu gibt: Nicht nur die Staatsschulden signalisieren den gesellschaftlichen Bankrott. Berichte und Reportagen zum Beispiel über die Schere zwischen Arm und Reich sind Legion. Von den gravierenden Disparitäten ablenkend, wird nun, passend zum 11. September, wieder eine äußere Bedrohung herbeifantasiert, die nicht zuletzt der Rüstungsindustrie reichlich Return verheißt: „Wer die USA bedroht, den greifen wir auch in Syrien und im Irak an“, hören wir von Obama. Also ob die IS plötzlich Interkontinentalraketen in der Wüste gefunden hätte. Obamas, an „weapons of mass-destruction“ erinnernde Rhetorik hat so gar nichts mehr von der Strahlkraft des früheren „Yes-we-can-Messias“. Offenbar hat er keine Ambitionen, den „Highway to Hell“ seines Vorgängers zu verlassen. Der Weiße Ritter ist damit wohl final zum „Black“ Bush avanciert. JÖRG BRÖKING, Witten
FDP geht zu weit
■ betr.: „FDP will Biber abschießen“, taz vom 11. 9.14
Zwar kann ich verstehen, dass die FDP angesichts ihrer misslichen Lage zu ungewöhnlichen Mitteln greift, und dass die einzige Chance, Abwanderungen zur AfD zu verhindern darin liegt, Stammtisch-Parolen von rechtsaußen zu schwingen. Doch in diesem Fall geht sie eindeutig zu weit. Leider müssen wir Herrn Beyer darauf hinweisen, dass der Biber nach deutschem und europäischem Recht streng geschützt ist und der Abschuss der Tiere daher ein Straftatbestand ist. Auch hat er wohl vergessen, dass Biber nicht „gern in Hochwasserschutzdämmen“ bauen, sondern natürliche Ausweichmöglichkeiten vorziehen. Und den Begriff Nachhaltigkeit hat Herr Beyer scheinbar auch nie nachgeschlagen. MIA-LANA LÜHRS, Potsdam
Ein Papiertiger
■ betr.: „Land legt Hochschulen an die Leine“, taz vom 12. 9. 14
Ich bin verwundert darüber, dass die taz sich zum Sprachrohr der Hochschulrektoren in NRW macht. Es ist nicht so, dass „die 37 staatlichen Hochschulen“, wie Sie schreiben, das neue Hochschulgesetz für eine Zumutung halten. Es sind vielmehr die Rektoren, die seit Monaten so tun, als würden die gesamten Hochschulen nun an ein Gängelband gelegt. Ich kenne zwar niemanden, der mit dem neuen Gesetz wirklich zufrieden ist, aber es gibt durchaus Personen, die Verständnis dafür haben, dass die Regierung und letztlich das Parlament auch wissen möchten, was die Hochschulen mit den ihnen anvertrauten Geldern machen, und dass ein Ministerium die gesamte Hochschullandschaft im Blick hat und vor diesem Hintergrund nicht jedes Einzelinteresse einer Hochschule sinnvollerweise umgesetzt werden muss. Umgekehrt muss man freilich sagen: Die auch im taz-Artikel erwähnte „Stärkung der Senate“ ist weitestgehend ein Papiertiger; die Senate – gewissermaßen die „Parlamente“ der Hochschulen – hatten bis zu ihrer Entmachtung durch die CDU-geführte Regierung in NRW wesentlich mehr Mitspracherechte, als ihnen das neue Gesetz zugesteht. WOLFGANG LUDWIG-MAYERHOFER, Siegen