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Archiv-Artikel

LESERINNENBRIEFE

Wenn es wie früher sein soll

■ betr.: „Große Koalition forever“, Kommentar von Martin Reeh u. a., taz vom 15. 9. 14

Auch die taz macht mit beim Missinterpretieren der Wahlergebnisse. Neben den über 50 Prozent, die durch Nichtwählen Ausdruck über ihr Missempfinden oder Frustration geben, tun das seit Jahren sehr viele Wähler durch die Wahl von Protestparteien. Da reicht es nicht, die AfD dumm als rechts einzuordnen, wie es Martin Reeh tut und die Wählerschaft gleich mit, um dann daraus zu schließen, dass sich die CDU entsprechend um diese Rechtswähler nach rechts bemühen wird.Im Gegenteil: Die großen Verluste der Linken auch an die AfD unterstützen die These, dass die Mehrzahl der Wähler vorwiegend unzufrieden ist (mit der Eurorettung, der Bankenrettung, der Arbeitslosigkeit, der Perspektivlosigkeit und aktuell dem Kriegsgeschrei gegen Russland usw. – da gibt es genug).

Wer wieder nur Wählerbeschimpfung betreibt, wie es die etablierten Parteien machen, statt zu begreifen, dass die deutliche Mehrzahl der Wähler ihnen allen nix mehr glaubt, aber dennoch auf Antworten wartet, macht es sich nicht nur zu einfach, sondern sich langfristig überflüssig. Dann, wenn die Parteien nicht endlich begreifen, dass sich die Grenzen des immer schnelleren, hektischen, globalisierten Wachstumskapitalismus sehr wohl bei den Menschen bemerkbar machen und die meisten das nicht wollen. Das ist nicht sofort rechts, sondern in einem durchaus verständlichen Sinne konservativ, bewahrend, in der Hoffnung, dass es so sein soll wie früher.

Wer im eigenen Lande verarmt oder überflüssig wird oder trotz eines immensen Reichtums immer gestresster arbeiten muss, darf die Frage schon stellen, was ihm der ganze Globalisierungs-, EU- und Freihandelshype bringt. Das ist ja nicht nur bei uns so, das zeigte sich deutlich bei den Europawahlen in der ganzen EU.

THOMAS KELLER, Königswinter

Selektive Wahrnehmung

■ betr.: „Provinz. Hier sind wir im Paradies“ von Steffi Unsleber, taz vom 6. 9. 14

Ein „reales Drama“ scheint mir die Machart des Artikels zu sein. Der Artikel beschreibt keineswegs, wie es in dem Ort Tringenstein ist, sondern gibt ausschließlich eine selektive Wahrnehmung und Darstellung singulärer Phänomene durch seine Autorin wieder, die mehr über diese als über den Ort aussagen. Je nach Blickwinkel des zu Beschreibenden – beispielsweise einem wohlwollenden Blick – wäre das Resultat gänzlich anders ausgefallen.

Hier kenne also jeder seine Rolle, wird behauptet. Und wird auch in dieser festgeschrieben? Welches wäre dann die Rolle der Autorin? Die der Ahnungslosen? Möge sie dieser Rolle noch entkommen können!

DOROTHEE ENGELS, PAUL CHRIST, Bad Endbach

Eintrittsgeld statt Maut

■ betr.: „Maut-Theater. Gabriel unterstützt Seehofer“, taz v. 15. 9. 14

Offensichtlich gibt es bezüglich der wichtigsten Koalitionsvereinbarung der letzten Jahrzehnte rechtliche Probleme, an deren Lösung die in Ministerien und Parlament vereinzelt tätigen Juristen sich bislang bis zur Erschöpfung, aber ergebnislos abarbeiten. Ich schlage daher vor, anstelle einer Maut von allen Ausländern Eintrittsgeld zu erheben, so wie es auch schließlich jeder Zoo tut .

Dem Freistaat Bayern sollte es freigestellt werden, diesen Obolus auch von den Bürgern der anderen Bundesländer zu verlangen. Über Höhe und Ausnahmen könnte eine Bund-Länder-Kommission unter Schirmherrschaft des Bundespräsidenten unter Einbezug von diesem oder jenem ausführlich, aber streng geheim beraten.

ERICH ROTH, Grimma

Ein Asylmuseum fehlt

■ betr.: „Konstanz und der Thurgau“ u. a., taz vom 13. 9. 14

Danke für die beiden spannenden Artikel zu Konstanz und zu Jan Hus. Das, was in Konstanz fehlt, fehlt auch im Artikel: ein Asylmuseum. Konstanz war viele Jahrhunderte eine weltoffene Stadt, die Flüchtlingen Asyl gewährt hat. Im 16. Jahrhundert religiös Verfolgten, in den 30er Jahren Menschen, die dann in die Schweiz vor politischer Verfolgung geflohen sind.

Es gibt genug Gründe, gerade dort an Flüchtlinge, an die Lebensbedingungen von Verfolgten und an die Menschenrechte zu erinnern! Wäre doch ein gutes Projekt zum Jubiläum!

MECHTHILD GUNKEL, Offenbach am Main

„Supervöllig überflüssig“

■ betr.: „Keine FDP ist auch keine Lösung“, taz vom 16. 9. 14

Ist es eben doch – wissenschaftlich fundierte, völlig objektive Begründung: Die FDP war schon zu Mende-Zeiten als nationalliberales Sammelbecken überflüssig, in ihrer sozialliberalen Zeit mal ganz prima, als „Wende“-Partei, die 1982 die sozialliberale Koalition platzen ließ, allerdings völlig überflüssig, als „Partei der Besserverdienenden“ ebenso, als Neoliberalen-Vertretung sogar supervöllig überflüssig (unter Führung eines Herrn Westerwelle, der seine Amtszeit als Außenminister auf unnachahmlich empathische Weise für Hartz-IV-Bashing nutzte).

Und was nach Westerwelle, Brüderle und Co. verblieben ist – Moment, jetzt komme ich gerade nicht auf die Steigerungsform von „supervöllig überflüssig“ …

ALBERT RÖHL, Bokholl-Hanredder