LESERINNENBRIEFE :
Mordende Söldnertruppen
■ betr.: „Terror. Krieg der Köpfe“ von Robert Misik, taz vom 6. 10. 14
Lieber Herr Misik, man kann ja nur eine der von ihnen angeführten Stellen leicht überprüfen: „Und wenn ihr die Ungläubigen trefft, dann herunter mit dem Haupt, bis ihr ein Gemetzel angerichtet habt.“ Koran 47,4
In den zwei mir vorliegenden Übersetzungen steht in etwa gleichlautend etwas völlig anderes: „Wenn ihr auf die, die ungläubig sind, trefft, dann schlagt ihnen auf die Nacken. Wenn ihr sie schließlich niedergekämpft habt, dann schnürt ihnen die Fesseln fest. Danach gilt es, sie aus Gnade oder gegen Lösegeld zu entlassen, bis der Krieg seine Waffenlasten ablegt.“ Nicht ganz so eindeutig, würde ich meinen. Da frage ich mich schon, ob sie nicht besonders islamkritische Literatur verwendet haben. Für einen Leitartikel auf Seite 2 hätte ich mir mehr Mühe bei der Recherche und den Rückgriff auf weniger voreingenommene Quellen gewünscht.
Davon mal ganz abgesehen: IS sind doch letztlich nur mordende und plündernde Söldnertruppen, deren religiöse Selbstlegitimation man nicht noch durch eine zweifelhafte historische Traditionsbildung adeln sollte. Selbstverständlich ist die öffentliche Hinrichtung von Unschuldigen schrecklich. Aber wo liegt denn die neue Qualität im Unterschied zu den Folterkellern Assads und der CIA? Die Ursache für die Videohinrichtungen sind doch wohl eher durch die Zerstörungskriege in der Region zu sehen, die alle normalen zwischenmenschlichen Beziehungen und Verwurzelungen zerstört und zu einer neuen Barbarei geführt haben, dank den USA, die dortige Diktatoren abwechselnd unterstützen und bekämpfen.
Und woher kommen denn die videospielartige Ästhetik der Gewalt und der Hang zur medialen Selbstinszenierung, wenn nicht aus der westlichen Welt? Die Spielentwickler arbeiten in den USA direkt mit dem Pentagon zusammen, um realistische Szenarien zu entwerfen – und Facebook wurde ja wohl auch nicht vom Islam erfunden. So gesehen hält IS dem Westen nur den Zerrspiegel seiner eigenen Perversionen vor: Mit islamischer Tradition hat das nichts zu tun.
FLORIAN NELLE, Pulheim
Was ist mit dem Christentum?
■ betr.: „Krieg der Köpfe“, taz vom 6. 10. 14
Die Geschichte des Islams ist voll von abgeschlagenen Köpfen, die auf Lanzen gespießt zur Abschreckung der Gegner ausgestellt wurden. Und was ist mit dem Christentum? ULRIKE DAJCMAN, Bad Boll
Zweite Wahl
■ betr.: „Traditionsbruch mit Folgen“, taz vom 7. 10. 14
Herzlichen Dank für den hervorragenden Artikel von Antje Volmer über das negative Wirken von Joachim Gauck in Bezug auf Russland. Solch ein Artikel von einer führenden Politikerin unseres Landes war längst an der Zeit.
Joachim Gauck war von Anfang an zweite Wahl, ist zweite Wahl und wird zweite Wahl bleiben. Er gehört zu den opportunistischen Ossis, die ihr Fähnlein nach dem Wind der Mehrheit halten. Die parteikritischen Worte eines Richard von Weizsäcker hat er ebenso wenig verstanden wie die Notwendigkeit eines guten Verhältnisses Deutschlands zu Russland. Sein Beitrag auf der Münchener Sicherheitskonferenz 2014 war ein Fiasko. Dies alles zeigt sich immer mehr.
WINFRIED BRINKMEIER, Bonn
Kein Einzelfall
■ betr.: „Traditionsbruch mit Folgen, taz vom 7. 10. 14
Liebe Frau Vollmer,
in Ihrem Artikel zeigen Sie dankenswerterweise am Beispiel Herrn Gaucks nachvollziehbar auf, wie unsere Politik auch bestimmt wird von den nicht durchgearbeiteten und damit nicht aufgelösten lebensgeschichtlichen Konflikten und Fixierungen der politischen Akteure. Herr Gauck ist kein Einzelfall.
Bleiben wir am Beispiel: Hätte Gauck seine – und ich erlaube mir zu sagen: neurotischen, weil unbewältigten – Konflikte in einer Psychoanalyse durcharbeiten können, sich mit seinem persönlichen und familiären Schicksal versöhnen können, hätte er für sich vielleicht Frieden finden können. Er wäre vielleicht auch glücklicher geworden, als er heute sein kann. Und: Selbst mit 1.000 Stunden Therapie wäre das letztlich für ihn und damit auch uns erheblich kostengünstiger geworden als das, was er da mit den im Artikel gezeigten Konsequenzen politisch veranstaltet.
Psychotherapeuten müssen für eine gute Ausbildung eine lange Selbsterfahrung, das heißt Durcharbeiten ihrer persönlichen Neurose, hinter sich bringen. – Und führende Politiker?
Doch machen wir uns klar: Diese persönlichen Überlegungen treten zu kurz. Wir müssen uns auch fragen, welche Mechanismen herrschen in unserer Gesellschaft, wer mit welcher neurotischen Störung in welche Funktion gebracht wird, um welchen Interessen zu dienen. Wenn wir das reflektieren, finden wir einerseits zur Entlastung des Individuums. Denn Herr Gauck (wie auch andere) weiß aufgrund seiner persönlichen Neurose gar nicht, wofür er benutzt wird. Dann müssen wir weiter fragen: Wofür einer Frau Merkel, der CDU, einer SPD, den Lobbys, etc. die Neurose des Herrn Gauck und anderer dient – und weswegen man ihn in gerade diese Position hievt?
Fragen also zu dem, was nicht hinterfragt werden soll.
BERNHARD MUNK, Psychoanalytiker, Freiburg