LESERINNENBRIEFE :
So ist es eleganter
■ betr.: „Rational nicht zu erklären“, taz vom 9. 10. 14
Ich denke, es ist in diesem Falle weniger die Atomlobby, die den Neubau neuer Kernkraftwerke betreibt. Vielmehr dürfte das Ministry of Defence die treibende Kraft sein. Die militärische Nutzung der Atomenergie ohne eine zivile kommt eher selten vor. Die Anlagen zur Gewinnung spaltbaren Materials, Weiterverarbeitung usw. müssten dann alleine vom Verteidigungsministerium getragen werden. Die Kosten, die durch die UK Nuclear Deterrent Forces dann entstehen, dürften auch im Vereinigten Königreich der Bevölkerung schwer vermittelbar sein. So ist es eleganter, noch etwas Strom zu produzieren und dem Bürger zu erklären, dass es sich um eine „saubere“ und „ausgereifte“ Technologie handelt.
Weiterhin kann sich Großbritannien aus den Töpfen des Euratom-Vertrages bedienen. Deutschland hat diesen Vertrag bis heute nicht gekündigt. Der Euratom-Vertrag steht dem Atomausstieg in Deutschland entgegen. Deutschland zahlt weiterhin kräftig für Forschung und Bau von Kernkraftanlagen ein. Wenn man diese Punkte betrachtet, ist der Bau neuer Atomkraftwerke vielleicht nicht irrational für die Regierung von David Cameron.
ULICH FECHNER, Hohenbrunn
Ein Stück aus dem Tollhaus
■ betr.: „Milliarden-Subvention für Briten-AKW- genehmigt“ u. a., taz vom 9. 10. 14
Danke taz, für das Nachhaken, wie Energiekommissar Oettinger gestern hinter verschlossen Türen abgestimmt hat! Die verdruckst-dümmliche Ansage, das sei die „Bewilligung eines Einzelfalls“ gewesen, zeigt die ganze Dimension der Unaufrichtigkeit. Das war eine orchestrierte Aktion, die sehr wohl zwischen Berlin und Brüssel koordiniert war. Berlins Groko bekommt die Industriebefreiung beim EEG, der deutsche Energiekommissar stimmt dafür in Brüssel für die Atomsubventionen. Beide Teile des Deals gehen zu Lasten der Stromkunden. Allerdings schrauben die Atombeihilfen, die von den (nicht demokratisch gewählten) EU-Kommissaren auf den Weg gebracht wurden, die Subventionsspirale noch mal in rekordverdächtige Höhen. Mit Oettingers „Och ja, ich hab mal ein bisschen dafür gestimmt“ wird der Strompreis-Turbo aktiviert. Gabriel will gelegentlich prüfen lassen. Und Merkel sitzt aus, während Österreich vor Gericht zieht.
Spätestens hier zeigt sich, dass die in Deutschland mit viel Geld, PR-Aufwand und großem Getöse verkündete „Strompreis-Bremse“ allenfalls eine Strompreis-Hupe war – viel Lärm um nichts.
Und doch hat dieses Stück aus dem Tollhaus auch sein Gutes: Ist das nicht ein großartiger Werbeblock für die Bürgerenergiewende? Immerhin sorgen die Erneuerbaren seit Jahren für kontinuierlich fallende Preise an der Strombörse. Die Brüsseler Atomsubventions-Entscheidung dreht diese Entwicklung mit Ansagen ins Gegenteil. Am Ende der 35-jährigen Zuschuss-Periode soll der garantierte Abnahmepreis bei 350 Euro pro MWh stehen, zehnmal höher als der heutige Börsenpreis in Leipzig. EVA STEGEN, Freiburg
Nicht erklärbar
■ betr.: „Milliarden-Subvention für Briten-AKW- genehmigt“ u. a., taz vom 9. 10. 14
Wahnsinn, dumm, arrogant, anmaßend, egoistisch, korrupt. Mit klarem Menschenverstand kann man eine solche Entscheidung der EU, Subventionen für Atomkraftwerke zuzulassen, nicht erklären.
STEFAN BLUEMER, Mülheim an der Ruhr
Ein ganz anderer Ansatz
■ betr.: „Prostituierte sollen professioneller werden“, taz v. 9. 10. 14
Wieso kommt eigentlich nie jemand auf die Idee, es einmal mit der Schaffung von Beratungs- und Informationsstellen für Menschen zu versuchen, die mit einer psychosozialen Störung leben, denen es laut dieser Expertenrunde nicht gelingt, ihre sexuellen Bedürfnisse in private Beziehungen zu integrieren, was sie dann dazu veranlasst, Prostituierte aufzusuchen? Das wäre doch einmal ein ganz anderer Ansatz, anstatt schon wieder die gegenseitigen Abhängigkeiten und Aushandlungsprozesse (zwischen Freiern, Prostituierten, Zuhältern und Menschenhändlern) in den Blick zu nehmen – die sind doch hinlänglich bekannt. MANUELA KUNKEL, Stuttgart
Das grenzt an Populismus
■ betr.: „Busse holen zu Bahnen auf“, taz vom 9. 10. 14
Dass die taz in den breiten Chor der Fernbusschwärmer einsteigt, ist mir völlig unverständlich. Das Argument, Fernbusse hätten im Vergleich zu Zügen „auch bei der Umweltwirkung die Nase vorn“, ist Augenwischerei. Diese Argumentation klappt nur dann, wenn man einen vollen Bus mit einem nicht vollen Zug vergleicht. Das aber ist völlig unsachgemäß und grenzt an Populismus.
Selbst wenn man wollte, könnte man Fernbusse nicht mit Ökostrom betreiben. Auf absehbare Zeit werden sie mit fossilen Brennstoffen betrieben. Fernbusse verhindern ein politisches und gesellschaftliches Umsteigen auf die Schiene und unterstützen noch die deutsche auto- und autobahnfixierte Politik. Oder wäre sonst der ADAC in den Fernbusmarkt eingestiegen!?
Aber Fernbusse passen so schön in den deutschen Tenor: „Haben wir’s doch gewusst: Die Bahn ist einfach zu blöd.“
DANIEL MEYER, Osterholz-Scharmbeck