LESERINNENBRIEFE :
Kompletter Schuldenerlass
■ betr.: „Griechenland bangt weiter“, taz vom 21. 6. 11
Manche Wirtschaftspolitiker schlagen einen „Haircut“ vor, einen teilweisen Forderungsverzicht der Gläubigerbanken. Andere, wie die Bundesregierung, scheuen einen Schritt in diese Richtung wie der Teufel das Weihwasser. Ein „Haircut“ ist vollkommen unzureichend. Wir brauchen die Guillotine. Will sagen, einen baldigen und plötzlichen kompletten Schuldenerlass für alle Schulden der EU-Banken, wir brauchen einen kompletten Neuanfang. Anders geht’s nicht. ERNST SOLDAN, Norderstedt
Verarmung mit System
■ betr.: „Es ändert sich auch hier etwas“, taz vom 18. 6. 11
Dieses Interview hat mir aus dem Herzen gesprochen. Es ist hier schon lange überfällig, dass die Menschen in Deutschland einmal nicht nur für den Atomausstieg demonstrieren, sondern gegen die Art und Weise, wie unsere Regierung so tut, als ob sie tatsächlich helfen will, dabei aber nur dem Großkapital Verluste ersparen möchte.
Das fing doch mit der Finanzkrise an, und der ganze Sermon ist doch tatsächlich nur die Fortsetzung dieser Politik. Mit Milliarden wurden bankrotte Banken gerettet mit dem Argument, dass es ja sonst keine Kredite mehr für die kleinen Industriebetriebe mehr gäbe.
Dabei hätte diese Riesensumme über die staatliche Kreditanstalt für Wiederaufbau gerade diese Kredite doch verteilen können und die Spekulanten wären endlich aus ihrem siebten Himmel gefallen. Aber da wird der Kapitalismus und werden seine Finanzspekulanten durch eine Umverteilung von unten nach oben „gerettet“. Damit das durchhaltbar ist, wird bei Hartz IV gekürzt. Der Rentenbeitrag wird erhöht und die Renten werden gekürzt. Es werden Krankenkassenbeiträge erhöht und, und, und.
Im Süden Europas werden Volkswirtschaften unter dem Deckmantel der Hilfe ausgeplündert. Da wird bei uns eine totale Verarmung der unteren Schichten systematisch betrieben, um die Dumpinglöhne durchhalten zu können. Nur deshalb ist Deutschland doch Exportweltmeister. Albert Wagner, Bochum
Arbeitsloser Diplomingenieur
■ betr.: „Fachkräftemangel“, taz vom 22. 6. 11
Der Fachkräftemangel soll angeblich der deutschen Wirtschaft großen finanziellen Schaden zufügen und den Wirtschaftsstandort Deutschland gefährden. Zur Bekämpfung des Fachkräftemangels werden die unterschiedlichsten Konzepte von den unterschiedlichsten Stellen präsentiert und sogar Gesetze geändert.
Als arbeitsloser Diplom-Ingenieur und gelernter Mechaniker habe ich mich nach elf Monaten Arbeitslosigkeit gefragt, warum ich trotz vieler Bewerbungen im ganzen Bundesgebiet bisher keine Stelle finden konnte und die Bundesagentur für Arbeit mir im Laufe von drei Jahren bis jetzt nur einen einzigen Vermittlungsvorschlag zusenden konnte, und dies bei bundesweiter Vermittlungsbereitschaft.
Da zwischen den Aussagen und der Wirklichkeit eine große Diskrepanz besteht, habe ich verschiedene Stellen angeschrieben und mich erkundigt, wo es denn einen Fachkräftemangel in Deutschland gibt. Das Ergebnis war ernüchternd. Bei Auswertung der Antworten der einzelnen Stellen kommt Folgendes heraus: Der Arbeitgeberverband (Herr Hundt), die BfA (Herr Weise), das BMBF (Frau Schavan) und das BMAS (Frau von der Leyen) teilen mit, dass es derzeit keinen flächendeckenden Fachkräftemangel in Deutschland gibt, dass aber die demografische Entwicklung auf einen sich abzeichnenden Fachkräftemangel hindeutet. Das BMAS empfiehlt mir sogar einen Arbeitsplatz im Ausland zu suchen. Nicht geäußert hat sich das BMWi (Herr Rösler), aber vermutlich fühlt sich das Wirtschaftsministerium nicht für die deutsche Wirtschaft und die dortigen Menschen zuständig.
Es gibt also viel Gerede zu einem scheinbar wichtigen Problem und nichts ist dahinter. KAY WESTPHAL, Lemgow
Unterentwickelte BRD
■ betr.: „Fachkräftemangel“, taz vom 22. 6. 11
Das würde ja bedeuten, dass die Länder, aus denen gut ausgebildete, erfahrene Ingenieure, Techniker, Ärzte und Pflegekräfte verstärkt angeworben werden sollen, solche Fachkräfte im Überfluss zur freien Verfügung haben, weil sie dort nicht gebraucht werden und weil die Bevölkerung von unten bis oben in Städten und auf dem Lande in Polen, Rumänien, Vietnam, Indien und China allerbestens und sogar überversorgt ist! Im Gegensatz zur unterentwickelten Bundesrepublik Deutschland. GERDA FÜRCH, Berlin
Schublade Antisemitismus
■ betr.: „Graumann sieht Antisemitismus“, taz vom 21. 6. 11
Die Brockhaus-Enzyklopädie zu Antisemitismus: „Sammelbegriff zur Kennzeichnung unterschiedlich motivierter individueller und kollektiver antijüdischer Einstellungen.“ Wenn ein Teil der Linken Israel wegen seiner menschenverachtenden Politik boykottiert, die auch nichtlinke Humanisten abstößt, so kann man ihnen allerhöchstens Antizionismus vorwerfen. Kritiker der Politik Israels einfach in die Schublade Antisemitismus zu stopfen, ist eines Präsidenten des Zentralrates nicht würdig. Vielleicht sollten Sie, Herr Graumann, sich mal mit den neuen rechten Populisten dieser Welt und ihren Stammtischen, an denen auch nichtoffizielle Versionen des Weltgeschehens diskutiert werden, auseinandersetzen. Vielleicht wissen Sie dann, wo die wahren Feinde der Juden stecken. CHRISTOPH KROLZIG, Moos