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Archiv-Artikel

LESERINNENBRIEFE

Kaufverhalten anpassen

■ betr.: „Geheimkonstrukte zur Steuervermeidung“, taz vom 7. 11. 14

Ich würde gerne eine Liste abgedruckt sehen, auf der die europäischen und deutschen Firmen stehen, die dort die Steuern „vermeiden“. Dann könnte ich nämlich mein Kaufverhalten entsprechend anpassen. Ich fürchte, die Öffentlichkeit ist im Moment das Einzige, was die Firmen wirklich zu einer Verhaltensänderung bringen kann. Von unserer Politik („Herr Gabriel ist empört“ – Oho! Wenn jetzt Frau Merkel auch noch empört ist, dann haben wir unsere politischen Handlungsrahmen mal wieder ausgeschöpft) ist da leider nichts zu erwarten. CARLO SCHMIDT, Stuttgart

Wo bleibt der Aufschrei?

■ betr.: „Geheimkonstrukte zur Steuervermeidung“, taz vom 7. 11. 14

Wo bleibt der Aufschrei, wo die öffentliche Empörung? Über 300 Großfirmen haben die europäischen Volkswirtschaften um Milliarden (etwa im Umfang des deutschen Bundeshaushaltes für Arbeit und Soziales) betrogen, und niemand fordert öffentlich den Rücktritt des obersten Erfüllungsgehilfen dieses Betrugs! Braucht es eigentlich einen noch deutlicheren Ausdruck der Verachtung aller zum Gemeinwohl beitragenden Steuerzahlenden, privat wie unternehmerisch? Diesen Betrug moralisch auch noch mit Legalität rechtfertigend zu krönen, ist die Spitze jener Volksverachtung, ist Hohn und Spott auf alle, die ihre Steuern abtreten für Bildung, Infrastruktur oder sozialen Frieden in Europa. Wenn Europäisches Parlament und Kommission mehr sein sollen als die strategische Kulmination von Strippenziehern und Erfüllungsgehilfen (inter)nationaler Großkonzerne, muss Juncker gehen. Wenn Juncker als menschliches Symbol jener legalen Verachtung der breiten Bevölkerung bleibt, hat die europäische Idee, die auch immer eine von sozialer und wirtschaftlicher Gerechtigkeit war (oder zumindest sein sollte), verloren. Heute moralisch, morgen politisch – denn warum dann noch für Europa wählen gehen? RALF JÖRG RABER, Essen

Dogmatische Haltung

■ betr.: „Anfang und Ende sind unverfügbar“, taz vom 11. 11. 14

In der Diskussion um ein Gesetz zur Sterbehilfe berührt mich im Streitgespräch zwischen Gita Neumann und Gerhard Steier die dogmatische Haltung, die durch ein Wort wie „unverfügbar“zum Ausdruck kommt, mit einem Gefühl des Schauderns. Ein Mensch,der sich – aus welchen Gründen auch immer – zu einem bestimmten Zeitpunkt in seinem Leben über Sterbehilfe in konsequenter Form seine Gedanken macht, ist zunächst mal in einer äußerst verletzlichen Situation. Dieser Mensch bedarf der wohlwollenden, eher liebevollen geistigen und gesundheitlichen Hilfestellung. Gita Neumann hat es versucht: „Es geht doch nicht ums Töten“, es geht um Sterbehilfe. Das drückt sich auch durch die Haltung des ehemaligen Rats- vorsitzenden der EKD, Nikolaus Schneider, in seiner Haltung der eigenen Frau gegenüber aus. Es ist keine „Bankrotterklärung an protestantische Ethik“ – es ist gerade dieses zugewandte, empathische Mitfühlen, das die eigentliche Hilfe ausmacht.

JUTTA KLINGER, Glücksburg

Keine Barmherzigkeit

■ betr.: „Anfang und Ende sind unverfügbar“, taz vom 11. 11. 14

Was meine Zeugung betrifft, da hat Gerhard Steier recht. Doch die Behauptung, auch mein Lebensende sei unverfügbar, die kann nur dem Hirn eines in der Zwangsjacke des Glaubens Gefangenen entspringen. So fühle ich mich von Gerhard Steier terrorisiert.

Wenn dieser Glaubensterrorist dann auch noch das Bekenntnis Nikolaus Schneiders als „Bankrotterklärung an protestantistische Ethik“ herabsetzt, nur weil jener unter Umständen seiner Frau Sterbehilfe geben würde, dann setzt er sich damit über das höchste Gebot seines eigenen Glaubens hinweg – die Nächstenliebe.

Schon das taz-Foto zeigt es: Von diesem Steier ist keine Barmherzigkeit zu erwarten. Furchtbar! THEO KRÖNERT, Kaisersbach

Gib mir den Schierlingsbecher!

■ betr.: „Anfang und Ende sind unverfügbar“, taz vom 11.11. 14

Ich stelle mir vor: Ich bin 85 Jahre alt, meine Augen und mein Gehör haben stark nachgelesen, seit meiner Prostata-OP trage ich Windelhosen, mein Herzmuskel, meine Bauchspeicheldrüse und meine Depression müssen medikamentös behandelt werden, meine Pflegekräfte sind lieb, haben aber nur Zeit für das Allernötigste. Jeden Tag kämpfe ich erfolgreich um meine Überlebensqualität. Dann lese ich überall von den (zu) vielen alten teuren Kranken und dass ein solches Leben eigentlich ein unwertes Leben ist. Also entscheide ich mich für ein selbstbestimmtes, sozial verträgliches Früherableben, kommt ja zurzeit gut an. Los, gib mir den Schierlingsbecher!

JENS KOTULLA, 60 Jahre, Altenpfleger, Mannheim

Zynisch und verletzend

■ betr.: „Mein Wille geschehe“, taz vom 11. 11. 14

Antiklerikale Äußerungen auch in provozierend scharfer Form können nachvollziehbar und angebracht sein. Die heutige Schlagzeile „Mein Wille geschehe“ ist jedoch zynisch und verletzend auch für jemanden, der das „Vaterunser“ wertschätzt, obwohl es ihm nicht liegt, (mit eigenen Worten ) zu beten. HORST ELLERMANN