LESERINNENBRIEFE :
Das wird nicht funktionieren
■ betr.: „Deutschland braucht eine Inflation“, Interview mit Volkswirtin Friederike Spiecker, taz vom 22. 7. 11
Die „Expertin“ schlägt zur Lösung des Ungleichgewichts im innereuropäischen Handel vor, die Löhne in Deutschland zu erhöhen; dadurch würden die Kosten deutscher Produkte steigen, und Länder wie Griechenland, Spanien oder Italien wären wieder konkurrenzfähig und ihre Handelsbilanzen würden sich verbessern. Nun gibt es sicher viele soziale Gründe, um im Niedriglohnsektor in Deutschland die Löhne zu erhöhen, aber damit die Handelsbilanzen zu verändern, das gibt es nur in den Theorien der Volkswirte. Dass das nicht funktionieren wird, dafür gibt es mehrere Gründe. Nur zwei davon:
1. Der Lohnkostenanteil in einer modernen Produktionsanlage liegt zwischen ca. 10 und 20 Prozent. Selbst eine Lohnerhöhung um 10 Prozent macht sich in der Gesamtkostenrechnung nur marginal bemerkbar. Die Produkte, bei denen dagegen der Lohnkostenanteil höher liegt, die werden sowieso nicht mehr in Deutschland, sondern in China produziert. Und wenn dort die Lohnkosten steigen, dann werden eben die Produktionen nach Vietnam oder Costa Rica verlagert.
2. Welche Produkte werden aus Deutschland hauptsächlich exportiert? Es sind u. a. Automobile, Chemieprodukte, Werkzeugmaschinen, mess- und regelungstechnische Erzeugnisse und schwere elektrische Geräte. Jetzt nehmen wir mal an, diese Produkte verteuern sich wegen der Erhöhung der Lohnstückkosten um ca. 10 Prozent, dann werden zum Beispiel Autofreunde in Deutschland oder in anderen EU-Ländern statt Mercedes und BMWs aus Deutschland Fiats aus Italien kaufen, oder Werkzeugmaschinen werden aus Griechenland importiert oder Panzer aus Portugal? Diese Vorstellung ist doch absurd! Oder, ohne Polemik gefragt: Welche Produkte, die Deutschland exportiert, werden denn in den EU-Ländern mit negativer Handelsbilanz produziert, sodass es eine Preiskonkurrenz geben könnte? Da wird man etwas suchen müssen! THEO TEKAAT, Mainz
Mentalitätswandel fand nicht statt
■ betr.: „Deutschland braucht eine Inflation“, taz vom 22. 7. 11
Es ist schon richtig: Deutschlands Löhne sind zu niedrig und die Löhne in Griechenland (beispielsweise) zu hoch. In der Lohnpolitik spiegelt sich aber die herrschende Mentalität vor Einführung des Euro wider. Ein notwendiger Mentalitätswandel hat nicht stattgefunden. Und speziell in Deutschland sind die Gewerkschaften spätestens seit Hartz IV zu stark geschwächt, um aus eigener Kraft etwa einen Mindestlohn durchzusetzen. Dies wird auch durch die aktuelle Eurokrise nicht anders werden. MICHAEL HEINEN-ANDERS, Köln
Staat ohne Ehrgeiz
■ betr.: „Das Schulkartell schlägt zurück“, taz vom 20. 7. 11
Mag sein, dass das für Finnland stimmt, was der finnische Mitarbeiter sagt, aber bei uns hat „der Staat“ jedenfalls keinerlei Ehrgeiz, Schule an sich attraktiv zu machen. Vielmehr ruht „er“ sich auf seiner Schulpflicht-Handhabe aus und versucht, die armen schulpflichtigen Sprösslinge so billig wie möglich durch seine Aussortiermaschine zu boxen. Fortschrittlichere Schulkonzepte werden hierzulande gern ausgebremst von verschiedenen Seiten (siehe Hamburg, NRW), oder schon im Ansatz erstickt durch Reglementierungswut, Planungen, die schon, seit ich denken kann, um Eckhäuser am wahren Bedarf vorbeigehen, sowohl was die Räume betrifft als auch das Personal, Geiz, Unübersichtlichkeit, Dünkel, Machtmissbrauch, Fantasielosigkeit, Zynismus, etc. etc.
Das alles sind nur einzelne Aspekte. Insgesamt ist in meinen Augen die Bildung bei uns in schlechten Händen. Daher bin ich inzwischen zu der Überzeugung gelangt, dass private Schulen in der öffentlichen Meinung aus ihren exklusiven Nischen geholt werden müssen und als das gehandelt werden sollten, was sie sind: wichtige eigenständige Säulen in der Bildungslandschaft, eine Herausforderung und ein Korrektiv zur konservativen Schwerfälligkeit. Parteien werden gefördert, weil sie die politische Meinungsbildung der Bevölkerung voranbringen sollen. Private Schulen aber, die einen wesentlichen Beitrag im Leben vieler leisten, damit sie sich in dieser Gesellschaft definieren lernen und das Werkzeug erwerben, um sie dann auch tragen und weiterführen zu können, werden mit Kürzungen als Objekte staatlicher Willkür mit höchstens tertiärer Wichtigkeit an den Rand verwiesen. IDA LÖW, Aichach
Schulen ohne Bundeswehr
■ betr.: „Werbung in Tarnhosen“, taz vom 21. 7. 11
Die Bundeswehr hat Nachwuchsprobleme, was mich sehr freut.
Offenbar sehen sehr viele junge Menschen keinen Sinn darin, ihre Zeit beim Militär zu vergeuden. Wie auch? Für eine eventuelle Landesverteidigung, die sonst immer als Existenzberechtigung für die Bundeswehr herhalten musste, wird das Militär längst nicht mehr benötigt. Dem Irrglauben, die deutsche Freiheit müsse am Hindukusch verteidigt werden, hängt vermutlich nur eine Minderheit junger Menschen an, wohingegen aber sehr viele von ihnen erkennen, dass man mit Gewalt keine Probleme löst, sondern nur neue hervorruft, wie am Krieg gegen Afghanistan gut zu erkennen ist. Leider wirbt die Bundeswehr immer intensiver um neue Rekruten und geht dafür sogar verstärkt in Schulen. Dem gehört endlich ein Riegel vorgeschoben.
Bundespräsident Wulf sagte unlängst bei einer Rekrutenvereidigung in Berlin, die Bundeswehr gehöre in die Mitte der Gesellschaft. Dem möchte ich widersprechen, denn die Bundeswehr gehört schlicht abgeschafft. JOACHIM FISCHER, Bremen