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Archiv-Artikel

LESERINNENBRIEFE

Unbehagen wird ignoriert

■ betr.: „Mustafa, ich mach jetzt Schluss“, taz vom 29. 11. 14

Mir scheint es, dass sich diese Herren, die Kunden eines Gangbang-Etablissements sind, sich in ihre Tasche lügen. Würden sie genauso darüber sprechen, wenn ihre Frauen, Freundinnen und Töchter dort arbeiten würden? Wohl kaum. Aber Männer haben sich schon immer das Recht genommen, jederzeit über die Körper von Frauen zu verfügen, und auch immer eine Rechtfertigung hierfür gefunden. Der Unterschied ist, dass sie bei uns, im Gegensatz zu weiten Teilen der Erde, dafür Geld bezahlen, statt es sich einfach zu nehmen.

Es gibt tatsächlich noch andere Möglichkeiten, sich lebendig zu fühlen. Sex zu kaufen ist einfacher, als das Abgespaltene zwischen Kopf und Schwanz (Herz und Bauch) zu integrieren, was mühsam und manchmal schmerzhaft ist. Immerhin fühlen einige Männer ein Unbehagen bei dem, was sie tun. Doch auch diese Empfindung lässt sich ignorieren und verdrängen, statt sie als Hinweis zu betrachten. Würden diese Männer ihr Geld in ihre Persönlichkeitsentwicklung investieren, würden sie wirklich etwas für die Verbesserung unserer Welt tun.ANDREA KNOBLOCH, Dossenheim

Mutige Reportage

■ betr.: „Mustafa, ich mach jetzt Schluss“, taz vom 29. 11. 14

Bestimmt wird es ja wieder Proteste geben von denen, die Frauen schützen wollen, über deren Situation sie gar nichts wissen, oder die die Moralität anderer über das Strafrecht gewährleisten wollen. Deshalb ein großes Dankeschön an Heide Oestreich für den Mut zu dieser Reportage und für ihre Fähigkeit, Realitäten zu zeigen, ohne den Zeigefinger zu recken. MATTHIAS KNUTH, Hattingen

Das sind keine Sonntagsprediger

■ betr.: „Soll man sonntags arbeiten?“, taz vom 28. 11. 14

Ein typischer Schmollack, möchte man rufen. Wenig überzeugend, aber auch albern in der Argumentation. Schlimmer allerdings wieder dieser Zynismus und die Ablehnung anders Denkender. Das sind keine „Sonntagsprediger“, die sich gegen einen verkaufsoffenen Sonntag aussprechen. Das sind besonnene Menschen, die auch ein Stück Kulturgut schützen wollen. Denn den freien Sonntag darf man durchaus auch einmal losgelöst von Kirche und Gottesdienst sehen.

Ganz anders und sehr überzeugend in der Argumentation ist da Richard Rother. Er bringt die Dinge, auf die es wirklich ankommt, sachlich auf den Punkt. Vielen Dank dafür. JÜRGEN REITH, Neuss

Freier Sonntag ist entspannender

■ betr.: „Soll man sonntags arbeiten?“, taz vom 28. 11. 14

Nach der Lektüre von Simone Schmollacks „pro“ formierte sich in mir schon der LeserInnenbrief, um dann festzustellen, dass Richard Rother (fast) alles, was mir durch den Kopf ging, im „contra“ zur Sprache gebracht hat. Danke dafür! Deshalb nur ein paar persönliche Anmerkungen: Als ich mich vor bald 15 Jahren für meinen Beruf entschied, war klar: Das bedeutet Arbeiten an Sonn- und Feiertagen. Über Freizeitausgleich habe ich mir damals weniger Gedanken gemacht. Ein freier Tag unter der Woche wird ja machbar sein, dachte ich. Und dann noch der Vorteil an meinem freien Tag, Dinge erledigen zu können, die andere am Wochenende nicht können! Doch sind freie Tage unter der Woche wesentlich schwerer mit dem Terminplan von Kind und Partner zu koordinieren, immer muss noch dieses oder jenes erledigt werden. Auch das Telefon, das wochenends meist schweigt, klingelt trotz meinem freien Tag auch dienstlich. Habe ich jetzt tatsächlich 14-tägig sonntags frei, ist der freie Tag wesentlich entspannter und entschleunigender als der unter der Woche.

Ich schließe mich Richard Rothers Nein zur Sonntagsarbeit voll und ganz an. Mir macht es übrigens nichts aus, dass am Montag Bücherei, Museen und teilweise die Gastronomie geschlossen haben, und ich wünsche mir fast, die Supermärkte und Kaufhäuser schlössen auch – jedenfalls nach einem verkaufsoffenen Sonntag!

SUSANNE DUESBERG, Wittmar

Wir leben nicht, um zu arbeiten

■ betr.: „Soll man sonntags arbeiten?“, taz vom 28. 11. 14

Sonntagsarbeit ist sicher in manchen Berufen nötig. Ohne Ärzte, Pflegepersonal, öffentlichen Verkehr, Feuerwehr und Polizei, Angestellte in Kinos etc. geht es nicht, das ist Konsens. Alle diese Leute verzichten „für die Gesellschaft“ auf Teile ihres Privatlebens. Ich bin angestellte Hebamme im Krankenhaus, im Drei-Schicht-System. Am meisten wurmt mich, dass ich so oft eben keine Zeit mit meiner Familie verbringen kann. Meine Kinder wachsen mit einer Teilzeitmutter auf. Meine Partnerschaft ist Teilzeit. Alle meine Hobbys und Freunde sind Teilzeit. Die Hälfte aller Wochenendunternehmungen findet für mich nicht statt, weil ich arbeite. Simone Schmollacks letzter Absatz ist ein Hohn: man „darf“ sich auch unter der Woche treffen? Wie schön. Dummerweise arbeiten da aber die anderen, und die Kinder gehen zur Schule.

Es muss Menschen geben, die auch am Wochenende arbeiten. Allen anderen, deren Arbeit zu normalen „Nichtarbeitszeiten“ nicht absolut nötig ist, sollten wir ihre freie Zeit lassen. Wir arbeiten, um zu leben, nicht umgekehrt. Und dass man jederzeit seine momentanen oberflächlichen Bedürfnisse (Einkauf, Video, Auskunft) befriedigt bekommt, ist unnötig und geht zu Lasten anderer, deren elementare Bedürfnisse nach sozialen Kontakten und geregeltem Leben dadurch mit Füßen getreten werden. BIRGIT ADOLPH, Berlin