LESERINNENBRIEFE :
Gleichberechtigte Betreuung
■ betr.: „Das neue Scheidungsrecht zwingt Mütter zur konsequenten Berufsplanung. Die neue Härte“, taz vom 9. 8. 11
Es ist immer wieder interessant zu beobachten, wie anschlussfreudig der konservative Flügel der CSU und der deutsche Feminismus sind, wenn es um das Familienrecht geht. Unter vermeintlich unterschiedlichen Weltbildern kommt man immer wieder zum gleichen Schluss: Die Alleinerziehende muss geschützt werden. Zwar denkt Barbara Dribbusch weiter und stellt fest, dass der „egoistische Karrieremann“ jetzt „nutzlos“ (für Frauen) wird, verliert aber keinen Gedanken daran, dass die Männer nicht einfach verschwinden, wenn eine Familie zerbricht. Sie bleiben auch nach einer Trennung weiter Vater, in welcher Form auch immer.
Diese Form wird nicht nur durch soziale Rahmenbedingungen, sondern vor allem durch das Familienrecht geprägt. Dieses sieht vor, dass das Kind bei einem Elternteil (fast immer der Mutter) lebt, der andere Elternteil darf das Kind ab und zu besuchen – und natürlich bezahlen. Wer sich als getrennt lebender Vater mehr um die Kinder kümmern will, steht plötzlich vor nie erwarteten Hürden: Gezahlt werden muss nämlich trotzdem, auch wenn man sich die Kinderbetreuung teilt. Erst bei einer absolut hälftigen Betreuung fällt die Unterhaltspflicht (in der Regel) weg.
Die Möglichkeiten zur Kontrolle über die Kinder gibt das Familienrecht der Mutter (dem betreuenden Elternteil) – und überlässt dem Vater, die Sorge, die drei Faktoren Arbeit, Unterhaltsverpflichtung und Kinderbetreuung unter einen Hut zu kriegen. Im Übrigen ist es dem getrennt lebenden Vater „verboten“, weniger als 40 Stunden in der Woche zu arbeiten. Ein derart rückwärtsgewandtes Familienrecht produziert auf der einen Seite Zahlväter, die im besten Fall alle 14 Tage ihr Besuchsrecht wahrnehmen (wollen, können oder dürfen), auf der anderen Seite Alleinerziehende, die sich kaum selbst versorgen können und sich zwischen Kinderbetreuung und Arbeit zerreiben. Und die Kinder mittendrin.
In dieser Form ist das Familienrecht mittlerweile fast einzigartig und existiert – kein Zufall – nur in den drei überwiegend deutschsprachigen Ländern in Europa. Alle anderen, besonders Skandinavien, Frankreich, Belgien, sind da viel weiter. Die wechselweise, gleichberechtigte Betreuung von Kindern in Trennungsfamilien ist dort Standard und wird gerichtlich nicht verhindert, sondern unterstützt. Die Alleinerziehende ist ein konservatives Auslaufmodell, und Feministinnen und die Linke sind gut beraten, über den historischen Ursprung des vermeintlichen Schutzes der deutschen Mutter im Familienrecht einmal gründlich nachzudenken.
MARKUS LINDEN, Reinbek
Kinder als Strafe?
■ betr.: „Die neue Härte“ von Barbara Dribbusch, taz vom 9. 8. 11
Die Zahl der alleinerziehenden Richter (und Richterinnen) am Bundesgerichtshof ist vermutlich überschaubar. Nur so ist es zu erklären, dass die Vertreter des Rechtes genau wissen, wie Kinder bei Trennungen zu behandeln sind. Nur so ist die krude Idee des Zwangs zur Arbeit nach spätestens drei Jahren Kindererziehung zu erklären. Egal ob in der Realität fast nur Frauen sich um die Kinder kümmern und die Männer sich wie selbstverständlich bei einer Scheidung komplett aus dem Staub machen. Wichtig scheint nur zu sein, die Mütter mit Geldentzug zu bedrohen, sollten sie es vorziehen, Kinder und Beruf etwa durch eine Halbtagsbeschäftigung zu vereinbaren.
War gestern noch die Kindertagesstätte der Hort des Bösen, so ist sie heute das neue Heil für alle, die der Arbeitsmarkt so dringend zu brauchen scheint.
Der Umgang mit Kindern in der Gesellschaft ist aber nichts, was Richter zu entscheiden haben, hier ist die Politik gefragt und damit wir alle. Man kann nicht über niedrigste Geburtenraten jammern und gleichzeitig Kinder, dann vor allem für Frauen, zu einem unkalkulierbaren Wirtschaftsrisko „richten“.
UWE BARKOW, Frankfurt am Main
Niedrige Geburtenrate
■ betr.: „Die neue Härte“, taz vom 9. 8. 11
Einmal zwingt das „neue“ Scheidungsrecht nicht nur Mütter zur konsequenten Berufsplanung – soweit das unter heutigen Arbeitsmarktbedingungen überhaupt möglich ist –, sondern alle jungen Frauen (die ja laut Jugendbericht immer noch mehrheitlich Kinder haben wollen), sind gehalten, Eigen- und Väterverantwortlichkeiten und Möglichkeiten anders zu überdenken.
Zum Anderen: Neu ist diese Härte nur für im Westen Sozialisierte. Was heutzutage anders ist als vor 22 Jahren in der DDR, ist das Steuerrecht, das nach wie vor (Ehe-)Frauen/Mütter benachteiligt, und sind die Verfügbarkeit und Tageszeiten von Kinderbetreuung, bis die Kinder das nicht mehr brauchen, und der Zugang zu existenzsichernder Erwerbsarbeit.
Vergleichbar ist die (mehr oder weniger subtile) Zuweisung der Alleinverantwortung für Kinder an die Mütter, ist deren daraus resultierende Rundum-Überlastung mit Job (100 %), Kinderaufzucht (100 %) und Verhandlung mit Vätern (??? %), die ihre Vaterschaft vor und nach der Scheidung sehr unterschiedlich wahrnehmen (können). Kein Wunder, dass Deutschland die niedrigsten Geburtenraten in Europa hat.
Wie wäre es mit einem Erfahrungsaustausch mit Frauen, die für solche Rahmenbedingungen ihre eigenen Strategien entwickelt hatten? Junge Frauen im Osten haben da möglicherweise ihr Gegenüber: Mütter, die ihre sehr persönlichen schlimmen und guten Erfahrungen als Teilnehmerinnen der DDR-Kinderbetreuung machten. und Großmütter … ELKE SCHILLING, Berlin