LESERINNENBRIEFE :
Zu Recht hinterfragt
■ betr.: „Kein Bückling vor Putin!“, taz vom 8. 12. 14
Zu Recht hinterfragt Dominic Johnson deutsche Prominente, die den Aufruf „Wieder Krieg in Europa? Nicht in unserem Namen!“ verfasst haben. Der Autor erinnert an den polnischen Brief und die Traumata der Länder Mittel- und Osteuropas. Wollen Deutsche und Russen die unabhängigen Staaten in Mittel- und Osteuropa wieder in Einflusssphären aufteilen? MARKUS ERICH-DELATTRE, Hamburg
Die Rolle des Westens
■ betr.: „Kein Bückling vor Putin!“, taz vom 8. 12. 14
Es ist mir unverständlich, wie Sie einen derartigen Artikel verfassen konnten.Worum geht es eigentlich? Die Ereignisse vom Maidan bis zu dem Bürgerkrieg möchte ich nicht rekapitulieren, sie dürften Ihnen bekannt sein. Offensichtlich ignorieren Sie aber, dass in diesem „Spiel“ Russlands Präsident nur einer von vielen Parteigängern ist. Die Rolle des Westens lassen Sie vollkommen außer Acht.
Die Friedensdemonstration, die am Samstag vor Gaucks Sitz Bellevue geplant ist, soll eine Demonstration gegen Aufrüstung und für Verständigung sein, gegen Gaucks verschiedentliche Reden, die das Gegenteil ausdrücken. Was hat das mit einem „Bückling vor Putin“ zu tun? Als Deutsche bin ich dem Grundgesetz verpflichtet und möchte, dass nie mehr ein Krieg von deutschem Boden ausgeht (auch nicht mit der Nato!). Besonders wenig kann ich die Stellungnahmen verschiedener Grüner (Harms, Beck u. a.) verstehen, die sich doch für Völkerverständigung einsetzen wollen, mindestens verbal. Ich bitte Sie, Ihre Ansicht zu überdenken. MONIKA WELKE, Berlin
Einäugige Expertin?
■ betr.: „Welche Lehren aus der Geschichte?“, taz vom 8. 12. 14
Ja, es wird langsam komisch und schrill. Also Helmut Schmidt, Kohl, Kissinger, Genscher, Schröder, Kohls Kanzlerberater Teltschik, die vielen Künstler und Intellektuellen, die sind alle doof oder verkappte Putinisten. Nur eine ehemalige Lehrerin und Osteuropaexpertin der Grünen, die Frau Beck, die blickt voll durch, weil sie ihren Prof. Timothy Snyder („Bloodlands“) verinnerlicht hat. Dabei hat dieser Havard-Historiker nix aufregend Neues herausgefunden. Da, im östlichsten Teil Europas, sind die allermeisten Menschen im Zweiten Weltkrieg gestorben. Logisch für jeden normalen Bildungsbürger, da waren auch die Todeslager, und da waren die großen Schlachtfelder im wechselnden Frontverlauf, und da herrschten die damit zusammenhängenden Hungersnöte. Nun daraus eine völlige neue Staatenbildungstheorie für die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg zu destillieren, finde ich schon sehr gewagt. Diese Frau Expertin trifft sich natürlich nur mit Dissidenten, verfolgten Minderheiten und Oppositionellen, die nach „Freiheit“ dürsten, gewinnt mithin ein sehr einseitiges Russland-Bild. Man stelle sich vor, ein anderer „Experte“ würde das ähnlich mal mit den USA anstellen. Was für ein USA-Bild hätten wir dann wohl? Für viele „Oppositionelle“ aus der Ukraine erscheint Europa doch auch als die Verheißung eines materiellen Überflusses und einer damit einhergehenden Freiheit des unbeschränkten Konsums, so viel scheint mir sicher. Und was Geschichtsvergessenheit betrifft: Ohne die Rote Armee wäre der Hitler-Faschismus nie besiegt worden. Ich empfinde diesen Aufruf also keineswegs „als Bückling vor Putin“. JÜRGEN SCHIERHOLZ, Bremen
62 SuperGescheite
■ betr.: „Niemand will Krieg, aber …“, taz.de vom 7. 12.14
Den 62 SuperGescheiten sollte man mal vor Ort im Donbas je einen OSZE-Beobachter der ukrainisch-russischen Grenze zur Seite stellen und sich dann mal die reale Situation zeigen und erklären lassen. Ich bin einfach fassungslos angesichts eines solch unsäglichen Appells! SUDEK, taz.de
Fragen Sie die Griechen
■ betr.: „Kein Bückling vor Putin!“, taz vom 8. 12. 14
Von welchen europäischen Werten schwafelt Herr Johnson? Die christlichen, siehe Aufnahme von Flüchtlingen; die friedlichen; siehe Afghanistan, siehe Waffenexporte; die solidarischen; siehe Austeritätspolitik zugunsten der Kapitalbesitzer und zu Lasten der Armen; die freiheitlichen, siehe Überwachung; die Menschenrechte, siehe Handelspolitik mit Diktaturen; die demokratischen, siehe Geheimverhandlungen zu Ceta & TTIP. Die Gestaltungsmacht Putins zu erleben ist sicherlich nicht erstrebenswert. Aber die Gestaltungsmacht der EU und Merkels sicherlich auch nicht. Fragen Sie mal die Griechen. MANFRED PUHAN, Stuttgart
Mediale Aufmerksamkeit erhöht
■ betr.: „Merkel fehlen die Worte“ u. a., taz vom 10. 12. 14
Der Pöbel marschiert, gegen Fremde, gegen Fremdes, für eine eigentümliche Interpretation der abendländischen Kultur. Auferstanden von den Scheintoten: Die Dreieinigkeit aus den hirnlosen Schlägertrupps der NPD, das rediküle Bürgertum der Pegida und die geistigen Brandstifter der AfD. Kanzlerin Merkel schweigt, und ausnahmsweise muss ich ihr recht geben. Die mediale Aufmerksamkeit erhöht das braune Pack und resultiert in einer Auseinandersetzung mit Ideen und Gedanken, die unbesehen auf die Mülldeponie einer unseligen Vergangenheit gehören. ROLF SPERBER, Graben-Neudorf