LESERINNENBRIEFE :
Was nicht diskutiert wird
■ betr.: „Das Oberkommando der Euromacht gibt bekannt!“,taz vom 5. 1. 15
Wer erinnert sich noch an die Bedenken der Länder in Europa vor den 2 + 4-Verhandlungen zum Beitritt der DDR zur BRD. An die Bedenken, dass Deutschland wieder eine Hegemonialmacht in Europa werden könnte, wie es vor dem Krieg war. Und wer erinnert sich noch an das darauffolgende Gesülze der führenden deutschen Politiker, die dadurch nur eine „Stärkung“ des „europäischen Hauses“ sehen wollten. Schon damals waren den Politikern die Menschen in beiden deutschen Staaten und auch in Europa ziemlich gleichgültig, wie sich später im Umgang der Treuhand mit den volkseigenen Betrieben und deren Veräußerung an westliches Großkapital zeigen sollte.
Wer sich nun die zurückliegenden Jahre der deutschen Außenpolitik in Europa unter den Merkel-Regierungen ansieht: Deutschland gibt wieder den Ton an (und was für einen) in Europa und immer noch zugunsten des Großkapitals und der Wirtschaftskonzerne.
Es mischt sich in die inneren Angelegenheiten anderer Länder ein; versucht über Drohungen, Wahlen zu beeinflussen, und fordert eine „alternativlose“ Sparpolitik, wohl wissend, dass damit die Wirtschaft der „Schuldnerländer“ zerstört wird, dass die dort lebenden Menschen kaum noch Chancen auf Zukunft haben und die Armut der Bevölkerung ins Unermessliche steigt. Hauptsache, dem deutschen Kapital geht es gut und Deutschlands Wirtschaft macht Gewinne auf Kosten dieser Länder.
Dafür werden in Deutschland von den Stammtischen immer wieder die faulen Griechen, Portugiesen, Spanier usw. für die Probleme verantwortlich gemacht, die von „unserem“ Steuergeld leben. Dass alleine für die Rettung der deutschen Banken mehr Milliarden an deutschen Steuergeldern ausgegeben wurden als für den „Rettungsschirm“, wird hier wohlweislich nicht diskutiert.
Ich kann nur feststellen, die Bedenken von damals sind unter Merkel als Bundeskanzlerin real geworden, und die deutsche Sozialdemokratie steht stramm an der Seite der Kanzlerin. Achtung! Ausrichten, Augen rechts! ALBERT WAGNER, Bochum
Ausgang der Wahl ist offen
■ betr.: „Das Oberkommando der Euromacht gibt bekannt!“, taz vom 5. 1. 15
Traurig, was die hirnlosen Politmaulhelden der GroKo da medial an politischem Porzellan zerschlagen! Anstatt gelassen abzuwarten, wie die Griechen bei der anstehenden Wahl entscheiden, und danach gegebenenfalls im Namen der EU Brüssels Juncker oder EZB-Draghi angemessen reagieren zu lassen, werden putativ Drohkulissen aufgebaut und unverhohlen massive Beeinflussungsversuche des griechischen Wahlvolks gestartet, als ob es keine demokratischen Spielregeln gäbe.
Dabei ist der Ausgang dieser Wahl völlig offen. Denn selbst wenn Tsipras’ Syriza gewinnen würde und als Gewinner noch 50 Stimmen draufgesattelt bekäme, wie das bei griechischen Parlamentswahlen üblich ist, hätte er damit wahrscheinlich immer noch keine absolute Mehrheit. Er müsste also mit einer oder mehreren anderen Parteien koalieren.
Und damit öffnete sich dann die Perspektive für „Plan B“: Ein großer Teil der vor der Wahl getroffenen Versprechen könnte im Hinblick auf die Kompromisse, die eine Koalition immer erfordert, zur Disposition gestellt werden, und das griechische Wahlvolk, bisher nicht gerade verwöhnt von der Ehrlichkeit ihres Politikerpersonals, würde das vermutlich sogar goutieren. GERD SIEBRASSE, Göppingen
So ein Scheiß!
■ betr.: „Das ist eine Scheißdebatte“, taz vom 5. 1. 15
Auch wenn das Interview vielleicht nicht alles zeigt, was Manuel Sarrazin gesagt hat: Es ist ziemlich viel Scheiß drin.
Der Scheiß beginnt damit, dass Sarrazin es nicht, wie Kollege Sven Giegold, an sich skandalös findet, dass jemand versucht, Einfluss auf die griechische Innenpolitik zu nehmen, oder dass die Griechen nun seit Jahren in einer Art Schuldknechtschaft gehalten werden, sondern dass er bedauert, die Einflussnahme auf die Griechen werde nicht funktionieren. Der Scheiß geht damit weiter, dass Sarrazin meint, auch Tsipras werde sich „der Macht des Faktischen“ beugen müssen und Verträge müssten eingehalten werden.
Alternativlosigkeit und Law-and-Order-Parolen statt Kreativität, Einsatz für Humanität in einem Land mit 43 Prozent Griechen ohne Krankenversicherung und steigenden Selbstmordraten oder Zivilcourage und Mut zum Ungehorsam – von einem 32-jährigen Grünen. Der Scheiß geht mit dem Scheißwort „Strukturreformen“ weiter, hinter dem sich bislang nur Privatisierung und Sozialkürzungen versteckten. Auch die fordert Sarrazin, aber „nicht nur“. Da kommt sie, die grüne Eigenständigkeit?
Das Fordern von Korruptionsbekämpfung und Rechtsstaatlichkeit sind also das grüne Alleinstellungsmerkmal. Und die vermögenden Griechen sollen die Steuern zahlen? Dazu schweigt der smarte Grüne sich aus. So ein Scheiß! Da spricht der Regierungssprecher von Frau Merkel. Natürlich soll die Korruption auch nach Ansicht von Herrn Schäuble bekämpft werden, und Rechtssicherheit soll es auch geben. Den Nachtwächterstaat findet ja sogar diese vergessene liberale Partei von früher gut, wie hieß sie noch?
Seit es Grüne wie Sarrazin gibt, braucht sie wohl keiner mehr. Zwischen Leuten wie Giegold und Sarrazin liegen albtraumhafte Abgründe. Am Ende wird niemand die Grünen mehr wählen, es sei denn, sie spalten sich, weil niemand mehr weiß, wer das eigentlich ist, „die Grünen“. Es sind längst zwei Parteien in einer.MICHAH WEISSINGER, Essen