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Archiv-Artikel

LESERINNENBRIEFE

Immer die anderen halt

■ betr.: „Das müsst ihr unter euch regeln“ von Khalid El Kaoutit, taz vom 3. 1. 15

Der Autor und sein türkischstämmiger Gesprächspartner haben keine Lust, sich mit ausländerfeindlichen Einstellungen in Deutschland auseinanderzusetzen. Die beiden wollen nicht diskutieren, aber ein bisschen an der Stellschraube der gegenseitigen Ressentiments drehen. Nicht mit Köpfchen, sondern mit Gefühlen arbeiten. Für solche Menschen gibt’s jetzt eine Organisation in Deutschland, die heißt Pegida. Die haben auch keine Lust, zu argumentieren. Die „da oben“ sollen es richten. Immer die anderen halt, die etwas tun sollen. Leider kenne ich kaum Leute, die sich überhaupt für die Rechte von Nichtdeutschen in Deutschland interessieren. Von daher sehe ich die Hoffnung des Autors, dass die Deutschen es regeln, skeptisch. Als Medienmann mit deutschem Pass sollte er seiner Verantwortung nachkommen und uns seine zuwanderungsfreundlichen Argumente so lange vorsagen, bis wir sie alle auswendig können!

IRENE WEISS, Berlin

Wer genießt hier Freiheit?

■ betr.: „Das Pack, vor dem ich geflüchtet bin“, taz vom 5. 1. 15

Der Eloquenz von Marko Martin kann man sich nur schwer entziehen. Alles klingt so klar und nachvollziehbar, deutlich, unwiderstehlich. Geht man aber eine Stufe tiefer auf die Bedeutungsebene, scheint doch alles genau so flach, wie er es den sogenannten Linkslibertären vorwirft. Natürlich muss man Putin differenziert betrachten, genau wie man Merkel, Bush, Obama, Cameron und wie sie alle heißen, auch Karl Marx differenziert betrachten muss. Natürlich muss man auch die Politik Israels kritisch betrachten können, ohne dabei das Existenzrecht Israels infragezustellen. Natürlich kann man zu Recht, ja muss man, die hier erlebte Freiheit anpreisen und in Relation setzen zu dem erlebten früher real existierenden diktatorischen Sozialismus. Aber muss man den real existierenden Kapitalismus nicht auch in seine Kritik mit einbeziehen?

Es sieht bei Martin so aus, zumindest wird das in keiner Weise kritisch differenziert und in den Diskurs mit einbezogen, als ob der Kapitalismus Garant für die Freiheit sei. Ist es aber nicht so, dass ein großer Teil der Menschen im Kapitalismus, die von Martin angesprochenen Freiheiten gar nicht wirklich genießen können? Ist es nicht so, dass Leute wie er (zu denen ich mich als Arzt auch zählen würde) historisch gesehen, ihre Freiheiten nur aufgrund ihrer privilegierten Stellung und auf Kosten einer jahrhundertelangen Ausbeutung der sogenannten Dritten Welt genießen? Ist es nicht so, dass die Kumulation des Kapitals in immer weniger Händen die Spannung und Ungerechtigkeit auch bei uns immer weiter erhöhen wird? Könnte man nicht sagen, wir haben Freiheit und Demokratie trotz Kapitalismus? Dazu hätte ich gern von Marko Martin etwas gehört und nicht nur immer wieder die mit der Arroganz des eloquenten Feingeistes vorgetragene Besserwisserei ohne großen Inhalt.

Als Quintessenz wird, wie so oft, nur undifferenziert der Begriff der Freiheit gegen den der Diktatur gesetzt. Ich würde mir wünschen, dass auch der Begriff der Freiheit in unserer kapitalistischen Gesellschaft und natürlich der Begriff Demokratie differenziert betrachtet und in Bezug zu ebendieser kapitalistischen Wirtschaftsweise diskursiv betrachtet wird. Wer genießt hier wirkliche Freiheit, wer profitiert von der Demokratie? Was können, müssen wir tun, um Freiheit und Demokratie für alle Menschen erlebbar und erfahrbar zu machen, und ist es dazu nicht auch nötig größtmögliche Gerechtigkeit herzustellen? HANS MENNINGMANN, Reinheim

Erste Seite für jede Zeitung

■ betr.: „Das Oberkommando der Euromacht gibt bekannt:“, taz vom 5. 1. 15

Danke für Eure erste Seite zu Griechenland. Das hätte jede Zeitung machen müssen und jeder Kommentar in allen Medien. Die Berufung auf Kohl könnte noch dem letzten Deutschen erklären, worum es geht. Aber es gibt anscheinend viele, die nicht einmal dadurch noch erreichbar sind. BURKHART BRAUNBEHRENS, Ebertsheim

Alltägliche „Nötigung“

■ betr.: „Ja zu ‚no means no‘!“, taz vom 6. 1. 15

Der europäische Standard bezüglich des Straftatbestandes der Vergewaltigung einer Frau ist bitter nötig, auch wenn es immer noch zu viele „Schlupflöcher“ gibt. Außen vor bleibt zum Beispiel die alltägliche „Nötigung“ im trauten Heim, der wir Frauen ausgesetzt sind. Diese Art der „Überredung“ kommt ganz schlicht daher. Wenn man sich als Frau verweigert, wird es daheim ungemütlich: verbale und leichte körperliche Grobheiten, Androhungen und Verweigerung von Haushaltgeld und Unterstützung, Schweigen und Missachtung von Bedürfnissen und Beleidigungen der Persönlichkeit der Frau: das sind die „legalen“ Mittel und diese bleiben aus, wenn frau stillhält. Das alles wird vom Partner nicht explizit ausgesprochen, Frau erlebt es, wenn sie ein „Nein, ich mag jetzt nicht“ ausspricht. Das sind Erfahrungen, die ich im weiblichen Freundes- und Familienkreis und leider auch selbst erfahren musste. Und viele Frauen sind auch heute noch in der ungünstigen Situation, diese nicht einfach ändern zu können.

Jede Frau hat mindestens einmal im Leben Sex gegen ihren Willen, das ist sehr traurig, aber wahr. Eine richtungsweisende Erziehung von Jungs ist auch angezeigt, um von Grund auf ein Umdenken zu erreichen. Es gibt also noch viel zu tun.

Name und Anschrift sind der Red. bekannt.