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Archiv-Artikel

LESERINNENBRIEFE

Bitte abwarten

■ betr.: „Wir wollen die Krise begreifen“, taz vom 17. 10. 11

Der Kommentar von Felix Lee zu den Demonstrationen am vergangenen Samstag, „United for Global Change“, ist äußerst bedenklich. Erstens habe ich die Nase voll von Leuten, Linken, aber auch anderen, die es immer besser wissen. Ich habe keine Lust, mir anzuhören, dass es in Deutschland an Bewusstsein mangelt, dass „hier“, also in Deutschland, die meisten keine Kapitalistengegner sind, dass sie eher aus der Mitte kommen. Eine solche Haltung spaltet die Bewegung in solche, die es wissen, Felix Lee gehört dazu, und solche, die es nicht wissen. Zweitens beginnt sich gerade erst eine Bewegung zu entwickeln. Das war der erste Tag, an dem wir auf die Straße gegangen sind. Und dann solch ein Kommentar? Bitte abwarten. Geduld scheint nicht die Stärke des Kommentators, aber auch der taz-Redaktion, die so einen Unsinn auf die erste Seite setzt. Wie stellt Ihr Euch vor, soll das bei denen ankommen, die am Samstag dabei waren?

MICHAEL DROSZ, München

Ausweiten, intensivieren …

■ betr.: „Wir wollen die Krise begreifen“, taz vom 17. 10. 11

Nicht „kanalisiert“ werden müssen die Proteste vom 15. Oktober, wie der Kommentator behauptet, sondern ausgeweitet, intensiviert, radikalisiert. RUDOLPH BAUER, Bremen

Der Grundsinn von Wirtschaft

■ betr.: „Die kosmopolitische Ära“ u. a., taz vom 18. 10. 11

Die Occupy-Bewegung wird sich noch wundern, wie schnell ihr „radical chic“ vom Kapitalismus in Gestalt von Modekonzernen, Werbeagenturen und Filmstudios vermarktet und damit angeeignet, entschärft wird. Ohne harten Kern an sperrigen Forderungen und Zugang zu Machtkanälen verkommt ihr Impetus schnell zur Pose.

Offen ist auch, wie tiefgehend die Analysen der Bewegungszirkel sind, denn hinter den angegriffenen Großbanken und Hedgefonds stehen ja die Anleger („die Reichen“), deren Forderungen nach Zinsgewinnen bevorzugt bedient werden. Die Occupyanten verweisen auf den Grundsinn von Wirtschaft, nämlich die „planvolle Deckung des menschlichen Bedarfs“, so Wikipedia. Dabei sollte – Bezug zu Gleichheit und Demokratie – eines jeden Grundbedarf gleich viel wert sein. Daraus ergibt sich, dass die Gier Einzelner, also des 1 Prozents, dem entgegensteht. Die ausufernde Ansammlung von Reichtum bei wenigen ist wirtschaftsschädlich weil sozialfeindlich und gehört politisch korrigiert. MAIK HARMS, Hamburg

Es gab Alternativen

■ betr.: „Das Recht auf Ruhe“, taz vom 14. 10. 11

Die Genehmigung des Bundesverwaltungsgerichts von Nachtflügen am künftigen Berliner Großflughafen ist empörend. Das Gericht ordnet damit elementare Bedürfnisse von Menschen, ihr Grundrecht auf Gesundheit, Wirtschaftsinteressen und politischen Fehlentscheidungen unter. Statt klar zu sagen, dass es ein Recht auf ungestörte Nachtruhe nicht gibt, führt es den Begriff eines sogenannten Kernbereichs der Nachtruhe ein. Der Verweis auf standortbezogene Besonderheiten und die Funktionen als Hauptstadt- und Regierungsflughafen vernebelt nur die Tatsache, dass es bei der Wahl des Standortes geeignete Alternativen gab. Der falsche Standort in einem dicht besiedelten Gebiet am Rande einer Großstadt, ursprünglich als absolut ungeeignet und unzumutbar eingestuft, konnte nicht verhindert werden, weil es kein Bewusstsein für die beispiellose und inhumane Standortentscheidung gab und infolge dessen keine ausreichende Solidarität.

Die Folgen der von Politikern getroffenen und zu verantwortenden sachfremden Standortwahl dürfen nun die Betroffenen tragen, mit Ausnahme eines ihnen zugestandenen kleine „Kernbereichs“.

ANTONIE KAIFENHEIM, München