LESERINNENBRIEFE :
Scheinheilig Selbstkritik simuliert
■ betr.: „Rechtsterrorismus“, taz vom 21. 11. 11
Schwer zu sagen, was widerwärtiger ist, der braune Müll in den Köpfen zahlloser Landesinsassen, die sich selbst mehrheitlich der politischen Mitte zuordnen würden, oder das apologetische Gefasel zahlreicher Vertreter von Politik und Medien, die seit Langem kräftig zur Verbreitung eben dieses Mülls beitragen und nun scheinheilig Selbstkritik simulieren, die ohnehin nichts bewirken wird: Sobald das derzeitige Strohfeuer erlischt, werden wieder Themen im Mittelpunkt stehen, die auflage- bzw. wählerstimmenträchtiger sind (das große Springerblatt ist mit dem postkoitalen Foto von 2/3 des Zwickauer Nazitrios schon auf dem richtigen Weg), auf dass beim nächsten rassistischen Mord erneut eitel Überraschung geheuchelt werde.
„Man muss die Menschen da abholen, wo sie stehen“, sagte mir ein Zeitungsredakteur Anfang des Jahres. Tja, wer aber Leute, die dort gar nicht wegwollen, aus der rechten Ecke holen will, steht am Ende selbst mit drin – wenn von „Ecke“ auch gar nicht mehr die Rede sein kann. FRANK PÖRSCHKE, Hattingen
Staatsknete für NPD & Co.
■ betr.: „Auf die Stimmen der Opfer hören“, taz vom 22. 11. 11
Klaus Hillenbrand zählt wichtige Gründe für ein NPD-Verbot auf. Es fehlt jedoch noch ein weiterer entscheidender Grund: Durch die Wahlen und Rats-/Abgeordnetentätigkeiten der NPD-Mitglieder kassiert die Partei enorme Summen, die sie zum Aufbau ihrer Strukturen verwendet!
Diese Tatsache seitens der Politiker zu übersehen beziehungsweise in Kauf zu nehmen, halte ich für eine Fehleinschätzung der durch das Geld geförderten Stärke der NPD. Es ist beängstigend, dass trotz menschenverachtender Gesinnung der NPD und ihrer weiteren Organisationen keine Gefahr darin gesehen wird, wie sie sich gut finanziert durch Wahlen ausbreitet und vielen Menschen in ihren Gemeinden Angst einjagt. Mir erscheint diese finanzielle Förderung der NPD in ihrer Auswirkung vergleichbar der Finanzierung von V-Leuten, die mit diesem Geld rechts ausgerichtete Organisationen auf/ausbauen. Dies zuzulassen, die Gründe für einen Verbotsantrag zu relativieren, wie es zurzeit geschieht, finde ich in vieler Hinsicht beängstigend. BARBARA HARTZ-BENTRUP, Bremen
Zusammenarbeit hat Tradition
■ betr.: „Eine Entschuldigung für das Staatsversagen“,taz vom 19. 11. 11
In der Geschichte der westlichen Geheimdienste hat die Zusammenarbeit mit Altnazis und ehemaligen Faschisten Tradition. Viele von ihnen wurden im Kalten Krieg rekrutiert. Ihre Gesinnung war die beste Garantie für die Treue im Kampf gegen die äußere und innere „rote Gefahr“. Paramilitärische Organisationen wie Stay-Behind oder Gladio pflegten zum Beispiel in Italien lange Listen von Politikern, Gewerkschaftern oder kritischen Journalisten, die im Fall eines Putsches (so ähnlich wie in Griechenland oder in Chile) hätten festgenommen werden sollen.
Während nach dem Fall der Berliner Mauer die geheime Geschichte der DDR gründlich aufgearbeitet wurde, blieben die Archive der westlichen Geheimdienste geschlossen. Wer mit der Stasi zusammengearbeitet hatte, wird heute in Deutschland verachtet und darf oft keine öffentlichen Positionen innehaben – zu Recht. Hingegen gab es in Westdeutschland bisher keine klaren Zeichen für einen Bruch der möglichen rechtsorientierten Seilschaften innerhalb der Geheimdienste.
Es ist bemerkenswert, wie effizient in den letzten Jahren die Geheimdienste waren, wenn es darum ging, islamistische oder linke Gruppierungen auszuspionieren. Vor diesem Hintergrund ist es schwer zu glauben, dass der Verfassungsschutz aus Dilettanten besteht, die bei der Bekämpfung des Rechtsterrorismus nur „gigantische Fehler“ begehen können. DAVIDE BROCCHI, Köln