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Archiv-Artikel

LESERINNENBRIEFE

Keine neue Idee

■ betr.: „EU will Aufnahmelager für Flüchtlinge in Afrika“,taz vom 13. 3. 15

Dass Minister de Maizière den damals abgelehnten Vorschlag seines Vorgängers Schily, Asylzentren in Nordafrika einzurichten, aufgreifen würde, war ja zu erwarten. Angeblich sollen sie Flüchtlinge vor der Ausbeutung durch Schlepperbanden und der riskanten Fahrt übers Mittelmeer bewahren. In Wirklichkeit geht es jedoch darum, sie daran zu hindern nach Europa zu gelangen.

Die Idee ist nicht neu, sie ist bereits in der Vergangenheit von vielen Seiten kritisiert worden, und es ist fraglich, ob sie umgesetzt werden kann. Aber es ist schon ein abscheuliches Beispiel politischer Wortverdrehung, wenn er diese Abschreckungslager „Willkommenszentren“ nennt, und es ist eine Beleidigung all derer, die sich tatsächlich für eine Willkommenskultur für Flüchtlinge einsetzen, sei es in Initiativen oder Institutionen. EVA-MARIA BRUCHHAUS, Köln

„Wir weigern uns, Feinde zu sein“

■ betr.: „Jenseits der Friedensbewegung“ (Seite 1) bzw. „Friede der Friedensbewegung“ (Seite 12), taz vom 13. 3. 15

In ihrem Kommentar bescheinigt Ines Kappert der „traditionellen Friedensbewegung“, sie habe ihr Weltbild zu selten aktualisiert. Man könne sie getrost entschlafen lassen, denn kein Mensch brauche sie wirklich mehr. Die zurechnungsfähigen Friedensbewegten arbeiteten in Forschungsinstitutionen, in der Linkspartei und bei den Grünen (sic!).

Offensichtlich ist danach die tatsächliche Friedensbewegung unzurechnungsfähig. Sie sei noch nicht in der multipolaren Welt angekommen, hätte die Arabellion verschlafen oder hätte die Strukturmerkmale der Postdemokratie nicht durchdrungen. Deshalb seien sie in der Schablone des Kalten Krieges stecken geblieben.

Ich selbst rechne mich seit Jahrzehnten zu dieser unzurechnungsfähigen Friedensbewegung und merke durch den Kommentar von Frau Kappert erst, wie borniert ich bin. Danke, Frau Kappert. Erlauben Sie mir bitte die Frage: Haben Sie eigentlich die umfangreichen Analysen und Diskussionen der Friedensbewegung jemals gelesen?

Die Ärzte und Ärztinnen der IPPNW starten gerade eine neue Kampagne mit der Aussage: „Wir weigern uns, Feinde zu sein.“ Ich Unzurechnungsfähiger schließe mich dieser Aussage an und akzeptiere deshalb die Kriegserklärung der taz nicht. Ich arbeite, statt auf solche Feindbilder Zeit zu verschwenden, mit vielen Gleichgesinnten an der Durchsetzung von Menschenrechten und an der Hilfe für Flüchtlinge, an Fragen der strukturellen Auswirkungen der praktizierten Entwicklungspolitik und mache Vorschläge für zivile Lösungen von Konflikten, die in der tatsächlichen Friedensbewegung breit diskutiert werden. Ich habe zufällig die Arabellion nicht verschlafen und versuche mich an Prognosen für künftige Entwicklungen der gigantischen Verschiebung der globalen Machtverhältnisse und vieles mehr. Viele aus der Friedensbewegung tun es mir gleich mit unterschiedlichen Schwerpunkten.

Noch eine Frage, Frau Kappert. Haben Sie nicht mal etwas Zeit, zu recherchieren, warum die taz sich meist so abweisend gegenüber der realen Friedensbewegung verhält, statt diese konstruktiv-kritisch zu begleiten? Das frage ich mich schon lange. Und warum fragt Bettina Gaus einen Tag später in ihrer interessanten Stellungnahme zur Europäischen Armee: „Wo versteckt sich eigentlich die Friedensbewegung?“ Warum soll die sich verstecken, die braucht doch keiner mehr! ANDREAS BURO, Grävenwiesbach

Nie wieder Marzipanschokolade

■ betr.: „Aus den Tagebüchern eines guten Onkels“, taz vom 14. 3. 15

Schade um alle wirklich guten Onkel. So wird ein ganzer Verwandtenstand in Verruf gebracht. Und ein bisschen weniger ausführlich hätte auch gereicht; mir war nach dem Lesen schlecht. Nie wieder esse ich Marzipanschokolade. CHRISTINE BERGER, Berlin

Absurder Vorwurf

■ betr.: „Kulturgeschichte der Übergriffigkeit“, taz vom 13. 3. 15

So muss denn nun also die ganze Menschheitsgeschichte umgeschrieben werden, weil ein Christian Füller einmal gründlich mit dem verklärten Mythos von der Antike aufräumt. Er sieht überall nur noch kulturell verbrämte sexuelle Gewalt am Werk.

Ich halte das Konzept der Reformpädagogik auch mit dem vielstrapazierten pädagogischen Eros nach wie vor für gut. Man sollte seinen Schülern „Liebe“ entgegenbringen, das bedeutet jedoch keineswegs, sie zu befummeln, in ihnen Sexualobjekte zu sehen. Wenn es nach Herrn Füller geht, haben wir bald keine engagierten männlichen Lehrkräfte mehr, keine männlichen Erzieher usw. Er zäumt in seiner eigenwilligen Geschichtsschreibung das Pferd von hinten auf. Erst auf dem Boden einer bigotten, verlogenen, repressiven Sexualmoral konnte pädophiles Treiben gedeihen. Die betroffenen Kinder „schämten“ sich, wagten nicht einmal, sich gegen Übergriffe zu wehren, weil sie nicht wussten, wie ihnen geschah, und weil Vorgesetzte nicht sehen wollten, was nicht sein durfte!

Emanzipierte, aufgeklärte Kinder würden ganz anders reagieren. Insofern ist der Vorwurf an die Grünen, sie hätten durch ihre Positionen zur Sexualmoral Pädophilie gefördert und toleriert, völlig absurd. Doch durch Fakten und Aufklärung lassen sich Fanatiker naturgemäß nicht überzeugen. Für Fundamentalisten gelten nur die Tatsachen, die sie sich selber geschaffen haben – und sei es mit manipulativen Mitteln, es dient ja der höheren Wahrheit!JÜRGEN SCHIERHOLZ, Bremen