LESERINNENBRIEFE :
Wir weiten unseren Blick
■ betr.: „Warum uns dieses Unglück nahe geht“, taz vom 25. 3. 15
Dass uns das Hemd näher ist als der Rock, ist sprichwörtlich. Erfreulich ist doch unser zunehmendes Befremden darüber. Wir weiten unseren Blick doch – langsam. Der Fremde wird Mensch – wie ich und du. KLAUS WARZECHA, Wiesbaden
Grandios gescheitert
■ betr.: „Nach der Diktatur“, taz vom 25. 3. 15
In der Grafik mit der Darstellung der „failing states“ in Afrika und der Levante fehlt eigentlich noch Ägypten. Dort ist die Revolution eigentlich auch grandios gescheitert, lediglich das eine totalitäre Regime durch das nächste ersetzt worden.
MATTHIAS MANSFELD, Haar
Noch schönere Hinrichtungsarten
■ betr.: „USA. Die neue Lust an der Exekution“, taz vom 25. 3. 15
Das nennt man eine „zivilisierte“ Nation. Aber es gibt noch viel schönere Hinrichtungsarten: die Garotte etwa oder das Steinigen. Sponsoren aus der Industrie könnten die Kosten übernehmen und dürfen dafür ihr Firmenlogo im Hintergrund aufbauen. Auch Gladiatorenkämpfe sind eine gute Idee, da kann man sogar Tickets verkaufen und Wetten abschließen, auch über Facebook und Twitter. Die Henker könnten in Saudi-Arabien oder beim Islamischen Staat um Amtshilfe und Lehrgänge im Umgang mit dem Säbel bitten. Für ihre ehrenvolle, patriotische Beteiligung bekommen alle Helfer dann den „Evangelikalen Orden am goldenen Patronengürtel für besondere Verdienste um das 5. Gebot“. Vom Niveau her würden alle diese Maßnahmen dem Land der Menschenrechte und Menschenwürde durchaus gerecht. Die Welt kann froh sein, dass diese Nation überall missionarisch aktiv ist.
FRITZ LOTHAR WINKELHOCH, Gummersbach
Nein, nicht egal
■ betr.: „11. April? 20. März? Ach, egal!“, taz vom 23. 3. 15
Nein, nicht egal! Es macht schon einen Unterschied, ob Frauen „nur“ bis zum 20. März arbeiten müssen oder sogar gut drei Wochen länger, um den Vorjahreslohn ihrer männlichen Kollegen in der Tasche zu haben. Dabei ist es ganz einfach, das richtige Datum zu ermitteln; Frau muss keine Mathematikerin sein, einfacher Dreisatz genügt. Einfaches Rechenbeispiel: Wenn ein Mann bis Ende des Jahres 1.000 Euro verdient, verdient eine Frau in diesem Zeitraum 22 Prozent = 220 Euro weniger, also 780 Euro in 365 Tagen. Preisfrage: Wie viele Tage braucht die Frau für 1.000 Euro? Wir rechnen: 365 Tage : 780 x 1.000 = 467,94/468 Tage. Am 468. Tag, also nach zusätzlichen 103 Tagen und damit am 13. April kurz vor Feierabend, ist es so weit, dass nach jetzigem Stand der Dinge die Durchschnittsfrau den Vorjahreslohn ihres Durchschnittskollegen verdient hat, Vollzeit-Beschäftigung bei beiden vorausgesetzt. (Man kann auch mit komplizierteren Methoden zu diesem Ergebnis kommen, aber warum kompliziert, wenn es auch einfach geht? Geringe Abweichungen im Datum können sich höchstens durch die Berücksichtigung der Stellen hinterm Komma oder im Schaltjahr ergeben.)
Die Business and Professional Women Germany haben sich verdient gemacht, als sie das Thema der Entgelt(un)gleichheit im Jahr 2008 mit Verve wieder auf die Tagesordnung setzten. Bei der Berechnung des Datums ist ihnen ein Fehler unterlaufen, der das tatsächliche Ausmaß der Lohnunterschiede unterzeichnet. Aller gut verständlichen Furcht vor Gelächter oder Schlimmerem zum Trotz: Sie sollten das Format haben, ihren Fehler einzuräumen, statt sich mit gewundenen Erklärungen und Neuinterpretationen aus der Affäre zu ziehen. Das wird nicht funktionieren.
BETTINA EICHHORN, Frankfurt am Main
Wirtschaftspolitik demaskiert
■ betr.: „Tsipras in Berlin“, taz vom 24. 3. 15
Sicher ist es zu begrüßen, dass in dem Verhältnis Griechenland – Deutschland nun scheinbar verbal abgerüstet wurde. Doch ich trau dem Frieden nicht so ganz, denn Herr Tsipras und Herr Varoufakis haben die EU und vor allen Dingen die deutsche Regierung an einer empfindlichen Stelle getroffen. Sie haben die neoliberale Wirtschaftspolitik, die man aus Brüssel und Berlin in den letzten fünf Jahren diktiert hat, demaskiert und jedem Bürger klargemacht, dass es ein „Weiter so“ mit den Linken in Griechenland nicht mehr geben wird! Die Politik der EZB ist gescheitert und die Ansteckungsgefahr, dass auch Spanien, Portugal, Italien und Irland dem Beispiel Griechenlands folgen könnten, ist sehr groß. Da kann auch Frau Merkel noch so auf ihre Reformen, die letztlich keine sind und die soziale Katastrophe in Europa nur weiter verschärfen, immer und immer wieder pochen: Letztendlich ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis das ganze System zusammenbricht!
So ist auch müßig und unnütz, sich weiterhin Gedanken über eine Rente mit 67 oder gar Hartz IV in Griechenland Gedanken zu machen. Im Gegenteil, Griechenland sollte aus den deutschen Verhältnissen lernen, denn diese Sparpolitik der letzten Jahre, die unter anderem immense Einschnitte in das Sozialsystem brachte, ist auch in Deutschland letztendlich für den kleinen Bürger gescheitert. Die Reichen allerdings haben davon profitiert und werden immer reicher. Der Export in Deutschland boomt auf Kosten der ärmeren europäischen Länder. THOMAS HENSCHKE, Berlin