LAPTOPLESS IN BERLIN : Paul Simon
Viele Ärgernisse des Alltags steckt man einigermaßen locker weg. Wenn ein älterer Herr einen fetten gelben Quallo vor einen aufs Trottoir rotzt: na und? Oder wenn man von einem zärtlich in den Hof gebrüllten „Neukölln, ihr Hurensöhne!“ geweckt wird: That’s life.
Manch anderer Zwischenfall aber ist nicht vorgesehen im Repertoire des zu Verarbeitenden. Ein solcher ereilte mich, als ich kürzlich von einem Trip in die nordisch-fischige Zweitwahlheimat zurückkehrte. Es war nachts, gegen zwei, an der Jannowitzbrücke. Voll bepackt mit Gepäck saß ich dort. Schläfrig, dämmernd hockte ich am U-Bahn-Steig.
Irgendwann schreckte ich hoch: Die Bahn kam, ich hastete hinein. Minuten später, in der Bahn, schaute ich auf mein üppiges Gepäck – und der Laptop fehlte. Panik. Geklaut? Im Gewühl zu Boden gegangen? Im Tran stehen lassen? Ich fuhr zurück zur Haltestelle, dort natürlich: Fehlanzeige. Goodbye, Sammy Samsung.
Am nächsten Tag saß ich mit einem geliehenen Laptop im Büro. Ich schimpfte unentwegt vor mich hin – „Ich Vollhorst, ich Megaschlonz“ –, da blinkte eine Mail im Postfach auf. Absender: Paul Simon. Spam-Mails von altgedienten Softrockern konnte ich als Letztes gebrauchen.
Dennoch öffnete ich sie. Womöglich wollte Simon mir persönlich von einer neuen Platte mit Garfunkel berichten. Stattdessen ein Dreizeiler: „Ich habe gestern Ihren Laptop gefunden. Sie können ihn bei mir abholen. Grüße, Paul Simon.“ Eine Adresse in Mitte stand darunter. Ich fuhr hin, kurze Zeit später überreichte Simon mir den Laptop. Auf dem Boden habe er gelegen, neben einer Bank.
Außer dem Finderlohn hätte ich diesem Paul hier, einem schlaksigen Studenten, der recht ungarfunkelhaft daherkam, gerne auf der Stelle einen Kuss gegeben. Verdient gehabt hätte er es.
JENS UTHOFF