Kunstrundgang : Brigitte Werneburg schaut sich in den Galerien von Berlin um
Ist es nicht eigentlich erstaunlich, wie wenig Angst uns die Häuser und Gebäude machen, in denen wir leben? Einfach, weil sie so schön und komfortabel im Innern gar nicht sind, wie sie von außen gerne tun? Drinnen sind sie meist eng, niedrig, klimatisiert und kunstlichtdurchflutet. Sie haben endlose Flure, dunkle Treppenhäuser und Aufzuganlagen, die logischen Erwägungen nicht standhalten.
Manchmal freilich, und eigentlich viel zu selten, gruselt es uns in unseren Häusern. Und dafür kann man das Kino gar nicht genug lieben, dass es diesen Grusel als sein ureigenes Thema erkennt und die Angst vor der Architektur großartig in Szene setzt. Denn nichts kann dem gebauten Raum mit seinen toten Winkeln, seinen endlosen Gängen, seinen fehlenden Ausgängen wie unverschließbaren Öffnungen, seinen Angst erregenden Höhen und gruseligen Kellern besser zuarbeiten als die bewegte Kamera. Das zeigt einmal mehr der Horrorthriller „Constructio Infernalis“, den der Schweizer Künstler Christoph Draeger zusammen mit den New Yorker Regisseur Gary Breslin in São Paulo gedreht hat. Eine seit Jahrzehnten verlassene Bauruine im Stil der Bauhaus-Moderne mit ihrer verwirrenden Rohbaukonstruktion steht im Zentrum des Geschehens, das ein junges Paar in ein Abenteuer mit tödlichem Ausgang führt. „Constructio Infernalis“ ist ein ideales Kunstvideo. Seine – verleihpraktisch – wenig kinotauglichen 30 Minuten Länge bringen den Film in den Kunstraum, nun bei müllerdechiara, wo er dank seiner filmischen Machart und seinen offenkundigen Hollywoodzitaten um so mehr glänzt. Seine cinematografische Eleganz bewahrt ihn denn auch davor, das Scheitern der Rationalität der architektonischen Utopien der Moderne zu simpel zu verhandeln. Es braucht den Traum für den Albtraum.