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Archiv-Artikel

Kulturhauptstadt im Kasten (15) Die Debatte zur Bremer Bewerbung – heute: Helga Trüpel, Bündnis 90/Die Grünen

Produktivkräfte statt Metropolenwahn

Bremen möchte Kulturhauptstadt Europas werden. Aber wie? Kulturschaffende, Wissenschaftler und Entscheidungsträger beziehen Position. Heute: Helga Trüpel, Kultursenatorin a.D. und kultur- und wirtschaftspolitische Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen

Im Dezember 2000 habe ich in der Bürgerschaft beantragt, Bremen solle sich für das Jahr 2010 als Europäische Kulturhauptstadt bewerben. Diese zündende Idee der Bremer Grünen fand schnell Freunde. Zwei Jahre später, nach vielen koalitionsinternen Querelen, konnte sich die große Koalition endlich auch durchringen, die Bewerbung offiziell zu beschließen.

Trotz der großen Konkurrenz hat Bremen gute Chancen: Vor dem Hintergrund der EU-Osterweiterung bietet die Kooperation mit den Partnerstädten Riga und Danzig großes Potential.

Für mich lag von Anfang an eine große Chance in dieser Bewerbung. Bremen muss ein neues Selbstverständnis entwickeln: Kultur und wirtschaftliche Erneuerung gehören zusammen! Kunst und Kultur sind nicht Feinde der Sanierung, sondern unabdingbarer Bestandteil der Modernisierung! Das haben Glasgow 1990 und in diesem Jahr Graz gezeigt.

Kunst und Kultur dürfen von der Wirtschaft nicht instrumentalisiert und zum Stiefkind gemacht werden. Entsprechende Warnungen der Kulturinitiative „Anstoß“ treffen ins Schwarze. Die von den Grünen seit langem geforderte Neujustierung des Sanierungsprogramms setzt auf die „Produktivkräfte“ Jugend, Intelligenz, Kultur und Technologien – das desaströse Konjunkturprogramm in Beton hätte es mit den Grünen nicht gegeben.

Bremen braucht intellektuelles und künstlerisches Reizklima, um als Kulturstadt interessant sein zu können und um sich wirtschaftlich zu erneuern. Der Metropolenwahn der großen Koalition kommt Bremen teuer zu stehen – die Flops Musical und Space Park haben bisher allein 300 Millionen Euro an öffentlichen Geldern verschlungen. Mit dieser Geldverschwendung muss endlich Schluss sein.

Es muss gesichert werden, dass Kunst und Kultur die prägenden Kräfte bei der Bewerbung zur Kulturhauptstadt sind. Deswegen muss die Kulturszene der erste Ansprechpartner für die weitere Entwicklung der Bewerbung sein. Die Grünen verlangen vom Senat, dass die Beteiligung der Kulturszene mit einem „letter of intent“ deutlich gemacht wird, so wie es gegenüber der Handelskammer schon geschehen ist.

Darüber hinaus brauchen wir die Akzeptanz aller Kräfte in dieser Stadt für die Bewerbung – natürlich auch die der Wirtschaft, der Wissenschaft und der Medien, aber unter Federführung der Kulturleute.

Es ist gut, dass ein auswärtiger Intendant berufen wurde. Er bringt hoffentlich neue Impulse von außen mit ein und kann gemeinsam mit der Bremer Kultur unsere Hansestadt in neuem Glanz erstrahlen lassen. Das wird aber nur gelingen, wenn die Politik den Mut aufbringt, den Bremer Kulturetat anzuheben. Nur so kann das breite Spektrum von der Soziokultur über die Museen, Theater, Orchester, die Einrichtungen der kulturellen Bildung, der Filmszene bis hin zu den freien Künstlern auch wirklich abgesichert werden.

Die Bewerbung ist eine Riesenchance für Bremen, für mehr Geld für Kunst und Kultur. Dann hätte Bremen den Namen Europäische Kulturhauptstadt 2010 auch verdient.

Helga Trüpel