Krenz & Co. müssen sich vor dem Kadi verantworten

■ Anklage: Totschlag an innerdeutscher Grenze

Berlin (dpa) – Fünf Jahre nach dem Fall der Mauer hat die Staatsanwaltschaft in Berlin den letzten DDR-Staats- und Parteichef Egon Krenz und sechs weitere Mitglieder des SED-Politbüros wegen Totschlags von DDR-Flüchtlingen angeklagt. Neben Krenz (57) sollen sich unter anderen der DDR-Gewerkschaftsvorsitzende Harry Tisch (67), der frühere Ost-Berliner SED-Chef Günter Schabowski (65) und SED-Chefideologe Kurt Hager (82) vor dem Berliner Landgericht verantworten. Ihnen wird „mehrfacher gemeinschaftlicher Totschlag und versuchter Totschlag im Zusammenhang mit den Gewalttaten an der innerdeutschen Grenze und der Berliner Mauer“ zur Last gelegt, teilte die Berliner Justizsprecherin Uta Fölster gestern mit.

Die Anklage, die mit rund 1.600 Seiten zu den umfangreichsten der deutschen Nachkriegsgeschichte gehört, beschuldigt ferner den Wirtschaftsfachmann Günter Kleiber (63), den Chef der internen Parteikontrollkommission, Erich Mückenberger (84), sowie den Personalchef der Partei, Horst Dohlus (69).

Die Staatsanwaltschaft hatte über drei Jahre gegen die Angehörigen des Politbüros ermittelt, das der frühere Staats- und Parteichef Erich Honecker von 1971 bis zu seinem Sturz im Oktober 1989 leitete. Mit dem Prozeßbeginn wird nicht vor Beginn der zweiten Hälfte dieses Jahres gerechnet. Daß bundesdeutsche Gerichte für die Aburteilung des Politbüros zuständig sind, wollte Egon Krenz gestern nicht so sehen. Er kommentierte die Anklage mit den Worten: „Für meine politische Tätigkeit in der DDR unterliege ich weder nach dem nationalen, internationalen und schon gar nicht nach dem Völkerrecht der Rechtsprechung der Bundesrepublik.“

Bislang sind wegen der Tötung von Flüchtlingen drei Mitglieder des Nationalen Verteidigungsrates der DDR verurteilt worden. Die Verurteilten, die bislang alle noch auf freiem Fuß sind, haben das Bundesverfassungsgericht angerufen. Siehe auch Seiten 4 und 10