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Archiv-Artikel

Kommentar Vom Kranichkrieg zum Kopiloten

Die „Süddeutsche Zeitung“ druckt mit „Primetime“ eine Zeitung für Lufthansa-Kunden. Dabei hat die Fluglinie schon oft gereizt auf unliebsame Inhalte reagiert

Noch vor fünf Jahren herrschte Krieg zwischen der Lufthansa und der Süddeutschen Zeitung. Die Fluggesellschaft kürzte die Bordexemplare der SZ um 10.000 Exemplare, nachdem die Zeitung kritisch über Pilotenstreiks berichtet hatte. Das tat weh, denn die in den Fliegern verteilten Zeitungen fließen in die Auflagenzahlen ein. Und je höher diese sind, desto mehr Geld lässt sich für Anzeigen verlangen. Deshalb schoss die Süddeutsche damals auch zurück: „Die Lufthansa hatte einen Kranich. Zurzeit hat sie einen Vogel“, schrieb sie im Kommentar.

Vergessen und vorbei. Seit gestern hat man sich wieder lieb. Die Süddeutsche druckt ab sofort SZ Primetime, eine kleinformatige Süddeutsche, die ab 16 Uhr in Lufthansa-Fliegern an Business-Class-Kunden verteilt wird. Darin: ein Potpourri aus Wirtschaft, Politik, Kultur und Vermischtem, darunter auch Artikel der „großen“ Süddeutschen des Folgetags. Erste Klasse eigentlich. Und in der Branche alles andere als unüblich. Das Handelsblatt hat mit „News am Abend“ ein ähnliches Angebot, das bis Ende 2006 bei der Lufthansa verteilt wurde und jetzt bei der Fluggesellschaft Air Berlin/dba mitfliegt.

Doch aufgrund der Vorgeschichte stellt sich die Frage: Ist ausgeschlossen, dass sich die Lufthansa in redaktionelle Belange einmischt? Die Süddeutsche hat hier „überhaupt keine Befürchtung“, wie es in der Chefredaktion heißt. Die Primetime-Redaktion sei völlig unabhängig von der Lufthansa. Und die alten Streitigkeiten von 2001 seien überhaupt „längst ausgeräumt“. Schmusekurs auch bei der Lufthansa. „Wie die SZ Primetime berichtet, ist natürlich ihr überlassen“, so ein Lufthansa-Sprecher zur taz.

Doch Kooperationen von Zeitungen und Airlines bleiben immer zweischneidig: Einerseits sind die Bordexemplare Aushängeschilder und Werbeboten für die Blätter, weshalb Fluglinien die Exemplare auch nahezu umsonst erhalten. Doch insbesondere die Lufthansa hat schon öfter gezeigt, dass sie auf Medienkritik äußerst dünnhäutig reagiert – und sich via Bordauflage rächt. Im Frühjahr 2000 hatte sie auch die Financial Times Deutschland aus ihren Fliegern verbannt, nachdem diese unschöne Wahrheiten über die Fluglinie berichtet hatte.

Freuen wir uns also auf den Tag, an dem SZ Primetime mit Kritischem aus dem Reich des Kranich für die besseren Plätze in der Kabine durchstartet. Und hoffen, dass es nicht wieder einmal zur Bruchlandung kommt.

WOLF SCHMIDT