■ Kommentar: Doppelmoral
Für Frauen scheinen in Deutschland am Ende des 20. Jahrhunderts noch immer strengere Maßstäbe zu gelten als für Männer. Weil Claudia Schiffer sich einmal fast nackt fotografieren ließ, soll sie es sich jetzt gefallen lassen, als Beilage zum Hot-Dog und als Dekor für einen Schokoriegel mit den Augen vernascht zu werden.
Aus einem frivolen Foto leiten Richter ab, daß jedermann diese Frau so darstellen darf, wie es ihm beliebt. Ist das nicht die alte Moral: Eine Frau, die auch nur einmal die engen Grenzen weiblicher Schicklichkeit übertritt, muß sich nicht wundern, wenn die Herren das als Freibrief auffassen? Prostituierte kann Mann nach dieser Auffassung ja auch nicht vergewaltigen. Und Ehefrauen geben ja bis heute mit dem Ja-Wort – zumindest juristisch – ihrem Ehemann die Generalvollmacht über ihren Körper. Die Tatsache, daß sie in anderen Situationen ihre Zustimmung verweigern würde, spielt nach dieser Moral keine Rolle.
Würde dieses Beispiel Schule machen – prinzipielle oder auch nur einmalige Erlaubnis gilt als grundsätzliche Zustimmung für jeden Einzelfall – gäbe es keinen Unterschied zwischen Kreditaufnahme und Bankraub.
Sicher, die Freiheit der Kunst ist ein schützenswertes Grundrecht wie der Persönlichkeitsschutz. Aber Bilder, die in ihrer Einfallslosigkeit geschmacklos und frei von jedem originellen Gedanken sind, sollten nicht zu Kunstwerken definiert werden. Strenge Maßstäbe für Frauen und großzügige für Männer: Das haben schon die Frauen der ersten Frauenbewegung zu Anfang des Jahrhunderts Doppelmoral genannt. Iris Schneider
Bericht Seite 32
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