piwik no script img

Kommentar Ratifizierung des EU-VertragesPolnisches Störmanöver

Kommentar von Daniela Weingärtner

Dem polnischen Präsidenten Lech Kaczynski kann unterstelllt werden, dass er alles versuchen wird, den ungeliebten EU-Vertrag zu kippen.

N ur wenige Tage nach dem ablehnenden Referendum in Irland hatten sich die Staats- und Regierungschefs bei ihrem Treffen in Brüssel noch einmal schriftlich verpflichtet, den Ratifizierungsprozess nicht zu stoppen. Lediglich Tschechien hatte eine einschränkende Fußnote durchgesetzt, wonach dort zunächst die Stellungnahme des Obersten Gerichtshof abgewartet werden sollte.

Nun erinnern Meldungen aus Deutschland und Polen daran, dass nicht nur Tschechiens Staatschef Topolánek mit dem Lissabon-Vertrag Probleme hat. In beiden Ländern verweigern die Staatspräsidenten die Unterschrift unter den Text, obwohl er bereits von beiden Parlamentskammern akzeptiert worden ist. Damit aber enden die Gemeinsamkeiten auch schon. Bundespräsident Horst Köhler hat persönlich wohl nichts gegen den neuen Vertrag. Er wurde lediglich vom Bundesverfassungsgericht darum gebeten, die Unterschrift zurückzuhalten, bis über mehrere Verfassungsklagen entschieden ist.

Lech Kaczynski hingegen darf man unterstellen, dass ihm jeder Vorwand recht ist, um den ungeliebten Vertrag zu stoppen. Obwohl er an den Vertragsverhandlungen in jedem Stadium beteiligt war und seine Unterschrift in Lissabon bei einer feierlichen Zeremonie im vergangenen Dezember unter den Text setzte, hat er seine Skepsis zu keinem Zeitpunkt verloren. Kaczynski will verhindern, dass Brüssel noch mehr in die nationale Politik hineinregiert und zum Beispiel von Warschau eine tolerantere Haltung gegenüber gleichgeschlechtlichen Paaren verlangt.

Der polnische Staatspräsident verhält sich seinen Amtskollegen gegenüber illoyal. Doch sein Ziel wird er damit vermutlich erreichen. Je mehr Störmanöver aus den Mitgliedstaaten gemeldet werden, desto schwächer wird der politische Wille bei den noch fehlenden Wackelkandidaten, mit der Ratifizierung fortzufahren. Irland wird zum Jahreswechsel nicht isoliert dastehen. Der Schwarze Peter wird stattdessen nach Brüssel zurückwandern, wo die hilflose Antwort ein weiteres Mal lauten wird: Denkpause einlegen, mit dem Bürger ins Gespräch kommen und die Reformverhandlungen von vorn beginnen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • W
    willy

    Liebe Frau Weingärtner,

    nur eine kleine Richtigstellung zu Ihrem Kommentar: Miroslav Topolánek ist nicht der Staatschef der tschechischen Republik, er ist Premierminister. Staatoberhaupt ist Präsident Václav Klaus. Nur so am Rande....