Kommentar Bundeswehr: Im Verteidigungsfall ohne Parlament
Die Richter berufen sich in ihrem Urteil auf "Spannungen", die aber durch den Aufmarsch der Bundeswehr überhaupt erst erzeugt wurden. Das ist Paradox.
W er anlässlich des G-8-Gipfels in Deutschland im Juni 2007 in einem der Zelte vor Heiligendamm lag, wird sich nur zu gut an die aufgeheizte Stimmung erinnern.Tiefflug-Tornados, Spähpanzer und Aufklärungsflugzeuge lieferten dem zivilgesellschaftlichen Protest eine militärische Sonderaufführung der amtlichen Art. Jeder Demonstrant war potenziell auch Terrorist. Und die Bundeswehr spielte sich im Inneren auf.
Mit seiner Entscheidung verweist das Bundesverfassungsgericht nun darauf, eine Zustimmung des Parlaments sei nur bei Auslandseinsätzen nötig, nicht aber im Inland im sogenannten "Verteidigungs-" oder "Spannungsfall". Selbst wenn das Gericht hier juristisch korrekt argumentiert: Dieser Umstand ist an sich schon absurd genug.
Daneben entbehrt der Verweis auf den "Verteidigungsfall" aber nicht einer gewissen Ironie. Denn das einzige, was im Umfeld des G-8-Gipfels in Heiligendamm verteidigt werden musste, waren die demokratischen Rechte der Bürger - etwa darauf, ihr Demonstrationsrecht wahrnehmen zu dürfen. Und selbst bei den gewalttätigen Auseinandersetzungen in Rostock handelte es sich ja nicht um "Aufständische", denen mit polizeilichen Mitteln allein nicht beizukommen gewesen wäre.
Martin Kaul ist Redakteur im Inlands-Ressort der taz.
Auch standen im Vorfeld des G-8-Gipfels über Monate hinweg völlig unverdächtige zivilgesellschaftliche Gruppen unter Beobachtung. Und wer in Heiligendamm war, weiß, dass es bei den Tiefflügen der Bundeswehr weniger um Aufklärung als vielmehr um Einschüchterung ging. Die Richter berufen sich in ihrem Urteil also auf "Spannungen", die durch den Aufmarsch der Bundeswehr überhaupt erst erzeugt wurden. Das ist das eigentliche Paradox.
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